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Black Arrow

Trägerrakete

Black Arrow

Anfang der 1960er Jahre kamen in Großbritannien Pläne für ein nationales Raumfahrtprogramm auf. Dabei nahm die Entwicklung einer eigenen Startkapazität für Satelliten einen wichtigen Platz ein. Schließlich entwickelte Großbritannien in den späten 1950er Jahren auch leistungsfähige Raketen als Träger von Atomwaffen. Außerdem dürfte die Rivalität zu Frankreich, das 1961 mit der Entwicklung einer eigenen Raumfahrt Trägerrakete begonnen hatte, eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Das RAE schlug ausgehend von der bewährten „Black Knight“ Rakete die Entwicklung eines leichten Satellitenträgers vor. Das Projekt sah den Start kleiner Satelliten mit einem Gewicht von bis zu 140 kg vor, die zur Erprobung von technologischen Lösungen für anspruchsvollere Programme dienen konnten. Da das Budget des RAE für ein solche Programm aber nicht ausreichte, blieb es zunächst bei Studien. Das änderte sich auch kaum, als im Oktober 1964 die damalige Westland Aircraft Company vom Ministry of Technology offiziell den Auftrag erhielt, die Forschungsrakete „Black Knight“ zum Satellitenträger weiterzuentwickeln. Dem Projekt mangelte es entschieden an politischer Unterstützung, Gelder wurden lediglich auf vierteljährlicher Basis bereitgestellt. Erst nach Neuwahlen im Jahr 1966 besserte sich die Situation etwas. Als sich Großbritannien 1968 aus der ELDO und der Entwicklung der Europa I Rakete zurückzog, schien die Finanzierung gesichert. Doch das „Black Arrow“ Programm profitierte davon kaum.
Bristol Siddeley hatte inzwischen immerhin das Gamma MK-​201  Triebwerk aus der militärischen Forschungsrakete „Black Knight“ zum Gamma MK-​304  weiterentwickelt. Beim MK-​201  waren vier Einzeltriebwerke zu einer Antriebseinheit zusammengefaßt worden, wobei noch jede Brennkammer von einer eigenen Turbopumpe versorgt wurde, die von katalytisch zersetztem hochkonzentriertem Wasserstoffperoxid angetrieben wurde. Der Treibstoff Kerosin und Wasserstoffperoxid zündete in der Brennkammer hypergol. Zur Steuerung der Rakete konnten alle vier Brennkammern einzeln hydraulisch geschwenkt werden. Beim MK-​304  wurden nun die vier Brennkammern von einer gemeinsamen Turbopumpe gespeist. Zwei MK-​304  wurden für die Erststufe des Satellitenträgers „Black Arrow“ zum „Gamma 8“ Antrieb zusammengefaßt. Dabei arbeiteten jeweils eine Brennkammer des äußeren mit einer Brennkammer des inneren Rings zusammen. Für die zweite Stufe wurde das „Gamma 2“ Triebwerk abgeleitet. Es arbeitete mit zwei Brennkammern (mit verlängerter Düse für einen besseren Wirkungsgrad im Vakuum) und gemeinsamer Turbopumpe. Beide Stufen verbrannten High Test Peroxide und Kerosin im Mischungsverhältnis 8,2 : 1. Für die katalytische Zersetzung des HTP kamen versilberte Drahtgittergeflechte zum Einsatz. Großbritannien hatte seit den 40er Jahren eine Reihe militärischer Raketenprogramme mit dieser Technik realisiert und sie perfektioniert. Daher erwartete man keinerlei größere Schwierigkeiten bei der Adaption für das „Black Arrow“ Programm. Unerwartet traten diese dann aber doch auf. Die ungenügende Finanzierung verhinderte ausreichende Prüfstandtests, so daß sich die Lösung länger als erwartet hinzog. Dabei war der Zeitrahmen eng gesteckt. Nur 16 Monate nach der tatsächlichen Aufnahme der Entwicklung sollte im Januar 1968 die erste Rakete starten. Dabei mußte auch noch die dritte Stufe, auch Apogäumstriebwerk genannt, entwickelt werden. Ein kleines kugelförmiges Feststofftriebwerk namens „Waxwing“ übernahm diese Rolle. Es wurde mitsamt der Nutzlast auf einem Dralltisch montiert und vor der Stufentrennung in Rotation versetzt. Im Gipfelpunkt der ballistischen Bahn wurde die dritte Stufe abgetrennt und beschleunigte mit der Nutzlast auf Kreisbahngeschwindigkeit.
Nach zwei ballistischen Testflügen mit Drittstufenattrappe (50% Erfolgsrate) scheiterte im September 1970 der erste Versuch, einen Satelliten zu starten. Der Fehler konnte jedoch gefunden werden. Und was wichtiger war, die Untersuchung ergab keinen Hinweis auf konstruktive Mängel. Dennoch hatte das Programm keine Zukunft mehr. Unterdessen hatte der Hersteller der Brennkammern für die „Gamma“ Triebwerke seine Fertigung geschlossen. Und Rolls-​Royce, die Bristol Siddeley übernommen hatten, zeigten wenig Interesse an einer Fortführung des defizitären Projekts. Am 29.07.1971 verkündete die Regierung schließlich die Einstellung des Programms. Lediglich ein abschließender Startversuch konnte noch unternommen werden. Am 28.10.1971 beförderte die „Black Arrow“ mit der Nummer R3 den Satelliten „Prospero“ auf eine Umlaufbahn. Das fünfte Exemplar der „Black Arrow“, die R4, ist heute im Science Museum von Kensington ausgestellt.


Gesamtsystem
Nation Großbritannien 
Bezeichnung(en) Black Arrow 
Entwicklungszeitraum 1964 – 1970 
erster Start 02.09.1970 (Fehlstart) 
Einsatzzeitraum 1970 – 1971 
Stufenzahl
Gesamthöhe 13,03 m 
Basisdurchmesser 2,00 m 
max. Nutzmasse 120 kg (auf 300 km Kreisbahn) 
Leermasse
Treibstoffmasse
Startmasse 18.320 kg 
Startschub 222 kN
1. Stufe
Hersteller Westland Hovercraft 
Bezeichnung(en)
Länge mit Zwischenstufenadapter 5,97 m 
Durchmesser 2,00 m 
Leermasse 1.020 kg 
Treibstoffmasse 13.200 kg 
Gesamtmasse 14.220 kg 
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk Rolls Royce / Bristol Siddeley „Gamma 8“
Treibstoff Kerosin + HTP 
Startschub 222 kN 
spezifischer Impuls (Seehöhe)
Brenndauer 140 s 
2. Stufe
Hersteller Westland Hovercraft 
Bezeichnung(en)
Länge 3,54 m 
Durchmesser 1,37 m 
Leermasse 370 kg 
Treibstoffmasse 3.180 kg 
Gesamtmasse 3.550 kg 
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk Rolls Royce / Bristol Siddeley „Gamma 2“
Treibstoff Kerosin + HTP 
Vakuumschub 68..69 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum)
Brenndauer 120..135 s 
3. Stufe
Hersteller Bristol Aerojet 
Bezeichnung(en)
Länge 1,31 m 
Durchmesser unverkleidet 0,71 m 
Leermasse 42 kg 
Treibstoffmasse 303 kg 
Gesamtmasse 345 kg 
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Bristol Aerojet / RPE „Waxwing“
Treibstoff Feststoff 
Vakuumschub 21..22 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum)
Brenndauer 36..40 s 
Nutzlastverkleidung
Länge über Endstufe 3,47 m 
max. Durchmesser 1,37 m