Frankreich in seinem Selbstverständnis als Weltmacht sah sich Ende der 1950er Jahre gefordert, auch eine eigene Kapazität zum Start von Satelliten zu schaffen. Bereits seit den 1940er Jahren hatte Frankreich stark in den Bereich der (militärischen) Flugzeug– und Raketenentwicklung investiert. Im August 1959 beschloß Frankreich, eine eigene Nuklearstreitmacht aufzubauen. Sie sollte auf drei Säulen basieren, dem überschallschnellen Mirage IV Bomber, landgestützten Mittelstreckenraketen und Atom U-Booten mit Raketenbewaffnung. Die Entwicklung weitreichender Raketensysteme erforderte die Errichtung eigener Forschungs– und Industriekapazitäten auf diesem Gebiet. So entstand beispielsweise die SEREB, ein Industriekonsortium zur Fertigung der Raketen. 1960 zündete Frankreich seine erste Atombombe im algerischen Reganne. Gleichzeitig liefen die Arbeiten für ein militärisches Raketentestgelände, das in Hammaguir, gleichfalls Algerien, errichtet wurde. Die offizielle Bezeichnung des Geländes lautete CIEES (Centre InterArmées d’Essais d’Engins Spéciaux = svw. Inter-Armee Test Zentrum für Spezialmaschinen). Nach ersten Test mit ungelenkten einstufigen Feststoffraketen entstand die VE111 „Topaze“, Frankreichs erste steuerbare Rakete. Vier pneumatisch schwenkbare Schubdüsen ermöglichten eine Steuerung der Rakete. Ab Dezember 1962 erfolgten vielfältige Tests mit mehreren Versionen der „Topaze“. Der Schub des NA802 bzw. NA803 „Soleil“ Triebwerks betrug dabei 120 bis 150 kN, die Brenndauer je nach Menge an Isolane 39 bis 44 s. Seit Anfang der 50er Jahre verfügte Frankreich über Höhenforschungsraketen vom Typ „Véronique“, später „Vesta“. Diese vom LRBA (Laboratoire de Recherches Balistiques et Aeronautiques) entwickelten Flüssigkeitsraketen bildeten die Grundlage für die VE121 „Émeraude“. Deren schwenkbares Triebwerk lieferte für 91 s einen Schub von 280 kN. Die Treibstoffkomponenten Terpentinöl und Salpetersäure wurden von Druckgas unter Einsatz eines Feststoffgasgenerators gefördert. Die ersten drei Teststarts der „Émeraude“ scheiterten 1964 an den Auswirkungen des Pogo Effekts. Zwei weitere Flüge 1965 waren dann aber erfolgreich. Bei den Tests trug die „Émeraude“ eine Attrappe der „Topaze“ als Oberstufe. Mit aktiver Oberstufe erhielt die Rakete die Bezeichnung „Saphir“. Zwischen Juli und Oktober 1965 erfolgten drei Testflüge in der Variante VE231P „Saphir“. Zwei davon waren erfolgreich. Weitere zwölf Starts zwischen 1966 und 1967 mit den Versionen VE231G und VE231R untersuchten im Auftrag des Militärs die Steuerung und das Wiedereintrittsverhalten von Sprengköpfen. Die „Saphir“ war bereits am 18.12.1961 vom CNES als Grundstufe für den geplanten Satellitenträger „Diamant“ ausgewählt worden. Lediglich eine Drittstufe mit Nutzlastverkleidung mußte noch aufgesetzt werden. Diese beiden letzten Komponenten wurden 1964 – 1965 mit der VE210 „Rubis“ erprobt. Unter diesem Namen verbarg sich eine ungelenkte VE110 „Agate“ mit aufgesetzter „Diamant“ Drittstufe. Alle Starts waren erfolgreich, inbesondere auch jene drei Flüge, mit denen die Komponenten der „Diamant“ bzw. des D1 Satelliten erprobt wurden. Im November 1965 startete schließlich die erste komplette Diamant A von Hammaguir in Algerien. Die Erststufe der Rakete war lagestabilisiert, lediglich vier kreuzförmige Flächen, von denen zwei kleine Druckgasdüsen trugen, unterstützten die Stabilisierung und Lenkung. Dagegen konnte die zweite Stufe über vier schwenkbare Triebwerksdüsen gesteuert werden. Aber auch sie war lediglich lagestabilisiert. Mit der Stufe verbunden war eine Gerätesektion, die u.a. das Lageregelungssystem und vier Dralltriebwerke enthielt. Die Drittstufe schließlich wurde mit 270 min–1 drallstabilisiert. Trotz ihrer einfachen Konstruktion bewährte sich die Diamant-A 1965 bis 1967 bei insgesamt vier Starts als zuverlässiger Satellitenträger und bildete die Grundlage für zwei Weiterentwicklungen, die bis 1975 in Dienst standen.
Gesamtsystem | |
Nation | Frankreich |
Bezeichnung(en) | Diamant-A |
Entwicklungszeitraum | 1962 – 1965 |
erster Start | 26.11.1965 |
Einsatzzeitraum | 1965 – 1967 |
Stufenzahl | 3 |
Gesamthöhe | 18,94 m |
Basisdurchmesser | 1,40 m |
max. Nutzmasse | 100 kg (300 km Kreisbahn) |
Leermasse | 2.850 kg |
Treibstoffmasse | |
Startmasse | 18.480 kg |
Startschub | 275 kN |
1. Stufe | |
Hersteller | Nord Aviation |
Bezeichnung(en) | L12 „Emeraude“ |
Länge | 9,99 m |
Durchmesser | 1,40 m |
Leermasse | 1.950 kg |
Treibstoffmasse | 12.770 kg |
Gesamtmasse | 14.720 kg |
Antrieb | 1 Flüssigkeitstriebwerk LRBA „Vexin“ |
Treibstoff | Terpentinöl + Salpetersäure |
Startschub | 269..275 kN |
spezifischer Impuls (Seehöhe) | 203 s |
Brenndauer | 93 s |
2. Stufe | |
Hersteller | Nord Aviation |
Bezeichnung(en) | P2.2 „Topaze“ |
Länge mit Gerätesektion | 5,52 m |
Durchmesser | 0,80 m |
Leermasse | 670 kg |
Treibstoffmasse | 2.260 kg |
Gesamtmasse | 2.930 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk SEPR |
Treibstoff | Feststoff Isolane 27/7 |
Vakuumschub | 156 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 259 s |
Brenndauer | 43..44 s |
3. Stufe | |
Hersteller | Sud Aviation |
Bezeichnung(en) | P0.6 |
Länge inkl. Adapter | 2,06 m |
Triebwerksdurchmesser | 0,65 m |
Leermasse | 69 kg |
Treibstoffmasse | 640 kg |
Gesamtmasse | 709 kg |
Antrieb | 1 Feststofftriebwerk Sud Aviation |
Treibstoff | Feststoff Isolane 29/9 |
Vakuumschub | 27..53 kN(?) |
spezifischer Impuls (Vakuum) | |
Brenndauer | 45 s |
Nutzlastverkleidung | |
Länge über Endstufe | 2,18 m |
max. Durchmesser | 0,65 m |