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GSLV Mk. I (v.2)

Trägerrakete

GSLV Mk. I (v.2)

Die Schaffung einer Trägerrakete zum Start geostationärer Satelliten war bereits in den 1970er Jahren ein zentrales Ziel der indischen Raketenentwicklung. Doch bis zur Realisierung vergingen mehr als zwei Jahrzehnte, in denen die ISRO mit der SLV-​3 , ASLV und PSLV zunächst Erfahrungen sammelte. Im November 1990 wurde dann endlich das Geosynchronous Satellite Launch Vehicle Projekt bestätigt, die offizielle Entwicklung begonnen. Zwar wollte man auch bei der GSLV maximalen Nutzen aus den bisherigen Entwicklungen ziehen, doch zeichnete sich rasch ab, daß mit den verfügbaren Feststofftriebwerken und dem in französischer Lizenz produzierten „Vikas“ Flüssigkeitstriebwerk die erforderliche Nutzlastkapazität nicht erreicht werden konnte. Daher hatte man sich schon früh in der Designphase auf eine kryogene Hochleistungs-​Endstufe festgelegt. Doch angesichts der Komplexität der Aufgabe sah man von einer vollständigen Eigenentwicklung ab. Vielmehr wurde beschlossen, das know-​how und ein serienreifes Triebwerk im Ausland einzukaufen. Rußland bot das KWD Triebwerk, alias RD-​56 M. Das Geschäft löste jedoch energischen Widerstand der USA aus, die schließlich durchsetzten, daß Indien (offiziell) praktisch keinen Technologietransfer erhielt. Lediglich sieben flugfähige Triebwerke und zwei Modelle wurden geliefert. Die ISRO übernahm die Integration der russischen Subsysteme in das Gesamtsystem. Ebenso wurden die Avionik und das Betankungssystem in Indien entwickelt. Als Erststufe konzipierte man ein kombiniertes Systems aus vier großen Flüssigkeitsboostern und einem aus dem PSLV Programm stammenden zentralen Feststoffmotor. Die Booster ähnelten in ihrer Auslegung den PAL der Ariane 4, wo mit dem „Viking“ auch ein praktisch identisches Triebwerk zum Einsatz kam. Ihre Zelle wurde aus einer hochfesten Aluminium-​Legierung gefertigt und verfügte über zwei lediglich durch einen Zwischenboden getrennte Tanks für die Treibstoffkomponenten. Die Förderung der Treibstoffe zum für die GSLV leistungsgesteigerten „Vikas“ Triebwerk übernahmen Turbopumpen. Im Gegensatz zur Ariane Rakete sahen die ISRO Ingenieure lediglich das Schwenken um eine Achse für die Booster-​Triebwerke vor. Das ergab dennoch eine ausreichende Steuerungsfähigkeit, zumal zwei der Booster auch über SITVC System verfügten. Das zentrale Feststofftriebwerk der GS1 Erststufe erhielt ebenfalls eine Schubvektorkontrolle nach dem SITVC Verfahren. Über Bohrungen im Düsenumfang des Triebwerks konnte Strontium-​Perchlorat eingeblasen werden. Dazu kamen zwei NTO/MMH Kleintriebwerke für die Rollkontrolle. Die Zelle der S125 Stufe wurde konventionell aus hochfestem M250 Stahl gefertigt. Da die Brenndauer der Zentralstufe kürzer als die der Booster war, mußten die Booster die ausgebrannte Hauptstufe noch eine Minute „mitschleppen“, eine unter Leistungsgesichtspunkten ungünstige Lösung. Andererseits entfiel der Aufwand für einen Trennmechanismus der Booster. Die zweite Stufe war konstruktiv ähnlich wie die Booster ausgelegt. Eine Aluminium-​Zelle mit Tanks in Tandemanordnung, allerdings mit gemeinsamer Zwischenwand. Treibstoffförderung über eine von einem Gasgenerator angetriebene Turbopumpe. Allerdings war das „Vikas“ Triebwerk hier um 4° um alle Achsen schwenkbar. Die Rollkontrolle übernahmen Heißgasdüsen. Während die Erststufentriebwerke bis zum Verbrauch der Treibstoffe arbeiteten (die gleichmäßige Tankentleerung der vier Booster war eine der Herausforderungen der GSLV Entwicklung), wurde der Brennschluß der Zweitstufe per Kommando ausgelöst. Die Zündung des Zweitstufentriebwerks wiederum fand unmittelbar vor dem Ausbrennen der Booster statt („heiße Stufentrennung“), was diesen Vorgang vereinfachte, aber auch die Neuentwicklung eines Gitteradapters zwischen den Stufen erforderlich machte. Den eigentlichen Trennvorgang löste die Zündung spezieller FLSC (flexible linear shaped charge) Pyroladungen aus. Die Drittstufe war als Stringer-​Konstruktion mit einer dünnen Aluminiumaußenhaut konstruiert. Das Triebwerk war darin starr montiert. Zwei schenkbare Hilfstriebwerke stellten aber eine Lageregelung sicher. Zwischen den beiden Triebwerkszündungen übernahm ein Kaltgas-​Düsensystem die Stabilisierung. Die Trennung der Drittstufe erfolgte nach Brennschluß der Zweitstufe und Zündung von vier Retrotriebwerken an der ausgebrannten Stufe. Oberhalb der Drittstufe war Equipment Bay (EB) mit dem Inertial Guidance System (IGS) untergebracht. Hier befanden sich die Computer und Kreisel als Referenz für die Steuerung der Rakete in einem geschlossenen Regelkreislauf „closed loop“. Die großvolumige Nutzlastverkleidung bestand aus zwei mit Stringern versteiften Aluminium-​Halbschalen.
Nach dem Start eines ersten Entwicklungsmodells im Jahr 2001 wurden eine Reihe Verbesserungen zur Leistungssteigerung der GSLV Mark I eingeführt. Vor allem unternahm man ein umfangreiches Entwicklungs– und Erprobungsprogramm zur Verbesserung der Leistungscharakteristika des „Vikas“ Triebwerks. So wurde der Brennkammerdruck erhöht und ein neues Material für den Düsenhals eingeführt, daß eine längere Brenndauer zuließ. Optimiert wurde zudem das Mischungsverhältnis der Treibstoffe. Um drohenden Verbrennungsinstabilitäten vorzubeugen, setzte man nun dem Treibstoff UDMH 25% Hydrazin-​Hydrat zu, eine Maßnahme die man in Europa bereits bei der Ariane 2 ergriffen hatte. Auf das bei der GSLV-​D1  noch als Backup für das Single-​plane Engine Gimbal Control (EGC) System der Booster eingesetzte Secondary Injection Thrust Vector Control (SITVC) System der Zentralstufe verzichtete man ab dem zweiten Start. Die zentrale Feststoff-​Boosterstufe der GSLV faßte nun zudem zehn Tonnen Treibstoff mehr. Zusammen mit einigen Gewichtsoptimierungen im Bereich des Nutzlastadapters und der Steuerungsplattform führten die Modifikationen zu einer Steigerung der Nutzlastkapazität auf geostationäre Transferbahnen um 300 kg.


Gesamtsystem
Nation Indien (ISRO
Bezeichnung(en) GSLV Mk. I, GSLV Mk. 1 
Entwicklungszeitraum 1990 – 2003 
erster Start 08.05.2003 
Einsatzzeitraum 2003– 
Stufenzahl 3 + 4 Flüssigkeitsbooster 
Gesamthöhe um 49 m 
Basisdurchmesser ca. 2,8 m 
max. Nutzmasse ca. 2.000 kg (GTO) 
Leermasse
Treibstoffmasse
Startmasse ca. 414.000 kg 
Startschub
Füssigkeits-​Starthilfen
Hersteller
Bezeichnung(en) L40 H 
Länge ca. 19,7 m 
Durchmesser ca. 2,1 m 
Leermasse
Treibstoffmasse 4×ca. 42.000 kg 
Gesamtmasse
Antrieb je 1 Flüssigkeitstriebwerk „Vikas“ 
Treibstoff UDMH (UH25) + Stickstofftetroxid 
Startschub 4×765 kN 
spezifischer Impuls (Seehöhe)
Brenndauer 149 s 
1. Stufe
Hersteller
Bezeichnung(en) S139 
Länge 20,13 m 
Durchmesser ca. 2,8 m 
Leermasse
Treibstoffmasse ca. 138.000 kg 
Gesamtmasse
Antrieb 1 Feststofftriebwerk 
Treibstoff HTPB 
Startschub (?) 
spezifischer Impuls (Seehöhe)
Brenndauer 106 s 
2. Stufe
Hersteller
Bezeichnung(en) L375 
Länge ca. 11,6 m 
Durchmesser ca. 2,8 m 
Leermasse
Treibstoffmasse ca. 39.000 kg 
Gesamtmasse
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk „Vikas“ 
Treibstoff UDMH (UH25) + Stickstofftetroxid 
max. Vakuumschub 804 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum)
Brenndauer 135 s 
3. Stufe
Hersteller
Bezeichnung(en) C12 (CS
Länge ca. 8,7 m 
Durchmesser ca. 2,9 m 
Leermasse
Treibstoffmasse ca. 12.600 kg 
Gesamtmasse
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk RD-​56M (KWD-​1
Treibstoff Flüssigwasserstoff + Flüssigsauerstoff 
Vakuumschub 74 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum) 460 s 
Gesamt-​Brenndauer (nominal) 707 s 
Nutzlastverkleidung
Länge ca. 7,8 m 
max. Durchmesser ca. 3,4 m 
Konstruktionsmasse ca. 1.300 kg 

Quellen:

[1] CURRENT SCIENCE, VOL. 85, NO. 5, 10 SEPTEMBER 2003