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Redstone SPARTA

Trägerrakete

Redstone SPARTA

1964 schien das Ende der „RedstoneMRBM gekommen, der die NASA viel zu verdanken hatte. Nicht nur, daß sie die Grundlage für jene Rakete geliefert hatte, die den ersten US Satelliten ins All befördert hatte. Auch die beiden ersten ballistischen Raumflüge von NASA-​Astronauten waren dank ihrer sprichwörtlichen Zuverlässigkeit erfolgreich verlaufen. Dabei reichten die Wurzeln der „Redstone“ bis in das Jahr 1944 zurück. Am 20.11.1944 erhielt der General Electric Konzern von der US Army die Aufgabe, im Rahmen des Projekts „Hermes“ Studien zur Verwendung von Raketen als Langstreckenwaffen und zur Abwehr von Flugzeugen anzustellen. General Electric untersuchte dazu auch das Potential des deutschen A-​4  (Propagandabezeichnung V-​2) und analysierte die Möglichkeiten für einen Nachbau. Zunächst war man dabei aber wenig erfolgreich. Als Anfang 1945 jedoch ganze Schiffsladungen mit deutschen Raketen, Konstruktionszeichnungen und auch die Köpfe des Raketenprogramms, allen voran Wernher von Braun, in den USA eintrafen, änderte sich die Situation. Vordringliches Ziel war es aber auch weiterhin nicht, ein einsatzfähiges Waffensystem zu entwickeln. Vielmehr sollten die militärischen Einsatzmöglichkeiten der Raketentechnik untersucht werden. Eines der ambitioniertesten Projekte lief unter dem Namen Hermes C. Es sah die Entwicklung einer dreistufigen Rakete vor, die eine Reichweite von 2.000 Meilen erreichen sollte. Das war jenseits des damals technisch machbaren. Also konzentrierte man sich zunächst auf die weitaus kleinere Zwischenstufe, Hermes C2. Obwohl die meisten der Hermes Studien über das Designstudium nicht hinauskamen, leisteten sie doch einen wertvollen Beitrag für die spätere Raketenentwicklung. Zahlreiche technische Lösungen waren hier nämlich bereits untersucht und teilweise auch erprobt worden. Am 11.09.1950 erhielt das US Army Redstone Arsenal in Huntsville, Alabama den Auftrag, eine neue Rakete mit 500 Meilen Reichweite zu entwickeln. Und diesmal erhielt das nun unter dem Namen XSSM-​G-​14  (später XSSM-​A-​14 ) „Major“ laufende Projekt eine hohe Dringlichkeit. Das Redstone Team, wo inzwischen von Braun mit vielen seiner ehemaligen Kollegen untergekommen war, konnte für seine Aufgabe auf die General Electric Studie zur Hermes C1 zurückgreifen. Einen geeigneten Antrieb fand man im North American Aviation XLR43-​NA-​1 , das für die Booster-​Stufe der XSSM-​A-​2  „Navaho“ Cruise Missile vorgesehen gewesen war. Das XLR43-​NA-​1  war das erste große Flüssigkeitstriebwerk, das in den USA entwickelt worden war. Es war das Ergebnis eines dreistufigen Entwicklungsplans, der 1947 mit dem Zusammenbau von A-​4  Triebwerken aus noch in Nazi-​Deutschland gefertigten Komponenten begonnen worden war. In einer zweiten Stufe wurden drei verbesserte Triebwerke nach amerikanischen Standards und eigenen Methoden gebaut. Ihr Schub lag mit 249 kN (56.000 lbf) auf dem Niveau des deutschen Vorbilds. Die dritte Stufe bedeutete praktisch die Neukonstruktion des Triebwerks, wobei natürlich viele technische Lösungen und ganze Baugruppen weitgehend unverändert vom Vorbild übernommen wurden. Eine neue doppelwandige Brennkammer mit besserer Kühlung zählte zu den wichtigsten Neuerungen. Auch hatte eine einzelne Enspritzung („Duschkopf“) die 18 Einspritzdüsen des Aggregat-​4 , die stets eine Notlösung gewesen waren, ersetzt. Für die neue Rakete mußte die Brenndauer, so zeigten die Berechnungen, auf 110 s gesteigert werden. Das verbesserte Triebwerk erhielt die Werksbezeichnung NAA 75 – 110  und erbrachte schließlich 333 kN (75.000 lbf) Schub. Das waren 34% mehr als das Mod. 39a Triebwerk des A-​4  bei einer gleichzeitigen Gewichtsersparnis von rund 500 kg! Im Laufe der Zeit entstanden sieben Versionen des Triebwerks, bezeichnet als A-​1  bis A-​7 .
Die Rakete selbst wurde konstruktiv konventionell ausgelegt. Die Zelle bestand auch Aluminium und wurde von Stringern verstärkt. Wie beim A-​4  wurden die Tanks und Treibstoffleitungen mit Glaswolle isoliert. Denn die Treibstoffkomponenten blieben praktisch unverändert. Eine Alkoholmischung (75% Ethylalkohol, 25% Wasser) und flüssiger Sauerstoff als Oxidator. Die überarbeitete Turbopumpe, die den Treibstoff förderte, wurde von Dampf angetrieben, der bei der katalytischen Zersetzung von Wasserstoffperoxid erzeugt wurde. Bei der Steuerung der schließlich am 08.04.1952 auf den Namen „Redstone“ getauften Rakete orientierte man sich ebenfalls stark am deutschen Vorbild. Vier Strahlruder aus Graphit im Abgasstrahl erhielten die Steuersignale von einem Kommandosystem, das wiederum Referenzinformationen u.a. eines Kreiselsystems auswertete. Der Stabilisierung dienten vier kreuzförmig angeordnete aerodynamische Ruder am Heck der Rakete und vier kleinere Flächen oberhalb der Booster-​Sektion. Die Strahlruder und die großen aerodynamischen Flächen am Heck wurden von elektrischen Stellmotoren angetrieben. Das ST-​80  Inertial-​Lenksystem der Ford Instrument Company in Kombination mit einem Funkkommando-​Empfänger sollte bei Schußweiten bis 740 km (400 nm) eine Zielabweichung von weniger als 500 m sicherstellen. Angesichts der vorgesehenen Bewaffnung mit einem 500 kT oder 3,5 MT Atomsprengkopf schien dies ausreichend.
Nach dem Ende ihrer militärischen und zivilen Laufbahn gingen die verbliebenen Exemplare der „Redstone“ in die Verschrottung oder an Museen. Am 30.11.1965 flog die „Redstone“ ihre scheinbar letzte Mission zur Zieldarstellung bei einem Raketenabwehrtest. Dann aber wurden 1966 doch nochmals zehn Exemplare für ein besonderes Programm aufgearbeitet. Beim Projekt SPARTA (Special Anti-​missile Research Tests Australia) brachten die Raketen zwei Feststoffoberstufen auf eine ballistische Bahn, die dann verschiedene Sprengkopfmodelle mit hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre zurück beschleunigten. Der Wiederintritt wurde mit zahlreichen Instrumenten beobachtet und diente u.a. der Gewinnung von Signaturdaten für Raketenabwehrsysteme. Das Programm wurde gemeinsam von militärischen Dienststellen der USA, Großbritanniens und Australiens betrieben.
Bei den Oberstufen griff man auf zwei bewährte Modelle aus dem Scout Programm zurück. Die bei der Scout als Drittstufe eingesetzte „Antares II” kam hier als Zweitstufe zum Einsatz. Die vereinzelt als fünfte Stufe geflogene „Alcyone I” wurde darauf aufgesetzt.
Das letzte Exemplar der zehn Redstone SPARTA Raketen wurde 1967 für eine besondere Mission modifiziert. Ein geändertes Aufstiegsprofil sollte den Start des ersten australischen Satelliten ermöglichen. Dieser war innerhalb weniger Monate gebaut worden und integrierte das BE-​3  Triebwerk der dritten Stufe. Nach dem erfolgreichen Start am 29.11.1967 kam die Redstone SPARTA nie wieder zum Einsatz, obwohl es entsprechende Bestrebungen gegeben hatte.


Gesamtsystem
Nation USA
Bezeichnung(en) Redstone SPARTA
Entwicklungszeitraum 1966 
erster Start 29.11.1967 (orbital)
Einsatzzeitraum 1967 
Stufenzahl
Gesamthöhe 21,77 m
Basisdurchmesser 1,78 m 
Spannweite über Stabilisierungsflächen 3,66 m 
max. Nutzmasse
Leermasse
Treibstoffmasse
Startmasse ca. 25.900 kg
Startschub 334 kN
1. Stufe
Hersteller Chrysler Corp.
Bezeichnung(en)
Länge 17,58 m
Durchmesser 1,78 m
Leermasse
Treibstoffmasse
Gesamtmasse
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk NAA (Rocketdyne) 75 – 110 Mod. A-​7 
Treibstoff Alkohol + Flüssigsauerstoff 
Startschub 334 kN
spezifischer Impuls (Seehöhe) 235 s
Nominal-​Brenndauer 122 s
2. Stufe
Hersteller LTV
Bezeichnung(en) „Antares II
Länge ca. 2,9 m
Durchmesser 0,76 m
Leermasse
Treibstoffmasse ca. 1.170 kg
Gesamtmasse ca. 1.530 kg
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Thiokol X-​259 
Treibstoff Feststoff
Vakuumschub 93 kN
spezifischer Impuls (Vakuum) 293 s
Nominal-​Brenndauer 36 s 
3. Stufe
Hersteller
Bezeichnung(en) „Alcyone
Länge 0,82 m
Triebwerksdurchmesser 0,48 m
Leermasse
Treibstoffmasse
Gesamtmasse ca. 100 kg
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Hercules BA-​3 
Treibstoff Feststoff
Vakuumschub 26 kN
spezifischer Impuls (Vakuum)
Nominal-​Brenndauer 9 s
Nutzlast
Länge inkl. Triebwerk 2,17 m 
max. Durchmesser 0,76 m 

Quellen:

[1] WRE: WRESATWEAPONS RESEARCH ESTABLISHMENT SATELLITE, November 1967 
[2] REICHL: DAS RAKETENTYPENBUCH, 2007 
[3] STACHE: RAKETEN — EINE INTERNATIONALE UMSCHAU, Oktober 1980