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Vega

Trägerrakete

Vega

Italien, das seit den 1960er Jahren zu den internationalen Nutzern der amerikanischen Scout Rakete gezählt und zudem über viele Jahre eine eigene (militärische) Feststoffraketenentwicklung betrieben hatte, war innerhalb der ESA der erfahrenste Partner auf diesem Gebiet und daher federführend bei der Entwicklung der Feststoffbooster für die Ariane 4 und später Ariane 5. Dennoch forcierte man Pläne zur Entwicklung eines eigenen leichten Trägers auf der Basis des bei diesen Programmen gewonnenen know-​hows. Nicht realisiert werden konnte das bi-​nationale Scout II Projekt. Doch Mitte der 1990er Jahre warb man intensiv bei den anderen europäischen ESA Partnern um Unterstützung für das Projekt einer Feststoffrakete. Obwohl einige Mitgliedsländer, allen voran Deutschland, der Idee sehr ablehnend gegenüber standen, gelang es Italien schließlich 1998 doch, das Projekt in die Verantwortung der ESA zu überführen. Es beteiligten sich Italien, Frankreich, Belgien, die Schweiz, Spanien, die Niederlande und Schweden. Unter dem Namen Vega entstand eine Studie, die den Einsatz eines modifizierten Ariane 5 Boosters als Startstufe vorsah. Darauf aufgesetzt werden sollten zwei kleinere Feststofftriebwerke, die anderen Entwicklungsprogrammen des italienischen Herstellers Avio entlehnt werden konnten. Der Rückgriff auf vorhandene Antriebe sollte die Entwicklungszeit verkürzen und die Kosten gering halten. Ende 1998 ging man daher noch davon aus, die Vega nur vier Jahre später in Dienst stellen zu können. Doch die Entwicklung verlief weitaus schleppender als gedacht. Zudem blieb die Finanzierung kritisch. Erst in 2011 konnten die Startanlagen in Kourou fertiggestellt und mit Tests des ersten Flugexemplars begonnen werden. Die erste Stufe der Vega sollte ursprünglich aus dem P230 Booster der Ariane 5 abgeleitet werden. Bei gleichbleibendem Durchmesser wollte man sie in der Länge kürzen, die Treibstoffmasse auf rund 85 Tonnen reduzieren. Um die gewünschten Charakteristika zu erreichen, mußte allerdings auch die Treibstoffmischung angepaßt werden. Dazu kam die Entwicklung einer neuen Düse, die elektromechanisch um 6,5° zur Schubvektorsteuerung geschwenkt werden konnte. Im Laufe der Entwicklung entschied man aber, daß ein neuer Entwurf weitaus sinnvoller war. Das P80 wurde als das größte monolithische aus kohlefaserverstärktem Kunststoff gefertigte Feststofftriebwerk der Welt konzipiert. Das sparte deutlich Masse und war zudem als Technologiedemonstrator für eventuelle neue Booster der Ariane 5 geplant. Die zweite und dritte Stufe wurden aus dem Zefiro-​16 Triebwerk abgeleitet, dessen Erprobung bereits vor dem offiziellen Start des Vega Programms begonnen hatte. Entsprechend der Erfordernisse wurde das Triebwerk nun neu skaliert. Konstruktiv ähnelten Zefiro-​23 und Zefiro-​9 dem P80 Triebwerk. Auch ihr Triebwerksgehäuse bestand aus kohlefaserverstärktem Kunststoff und die Düse war elektromechanisch um 7° bzw. 6° schwenkbar. Vor allem die Drittstufe wurde für den Einsatz im Vakuum optimiert und erhielt eine Düse mit einem sehr hohen Entspannungsverhältnis. Als es 2007 bei einem Qualifikationstest des Zefiro-​9 Triebwerks zu Problemen kam, wurde das zum Anlaß genommen, nicht nur im Detail konstruktive Änderungen einzuführen. Auch die Treibstoffzuladung wurde erhöht. Das neue Drittstufentriebwerk trug daher nun die Bezeichnung Zefiro-​9 A. Zur Gewährleistung eines präzisen Bahneinschusses wurde die Vega mit einem kleinen Oberstufenmodul ausgerüstet. Das Attitude and Vernier Upper Module (AVUM) kombinierte die Vehicle Equipment Bay (VEB) mit einem mehrfach wiederstartfähigen RD-​869 K Triebwerk aus dem ukrainischen KB Juschnoje. Dazu kamen zwei Gruppen von jeweils drei Kleintriebwerken für die Rollkontrolle und Lagestabilisierung. Die gesamte Struktur wurde in ein kraftaufnehmendes Gerüst aus kohlefaserverstärktem Kunststoff eingesetzt. Die großvolumige Nutzlastverkleidung lieferte das Schweizer Unternehmen Ruag Space, von dem auch die Verkleidungen der Ariane Raketen stammten. Konstruktiv in zwei Halbschalen ausgeführt, wurden diese aus einer Aluminium-​Wabenstruktuktur gefertigt, auf der eine Beplankung aus kohlefaserverstärktem Kunststoff aufgebracht war.


Gesamtsystem
Nation Europa (ESA)
Bezeichnung(en) Vega
Entwicklungszeitraum 1998 – 2011 
erster Start 13.02.2012 
Einsatzzeitraum
Stufenzahl
Gesamthöhe 30,025 m 
Basisdurchmesser 3,005 m[2]
max. Nutzmasse ca. 1.500 kg (700×700 km@90°)
Leermasse
Treibstoffmasse
Startmasse ca. 136.700 kg
Startschub 2.261 kN
1. Stufe
Hersteller Avio
Bezeichnung(en)
Länge 11,714 m[2]
Durchmesser 3,005 m[2]
Leermasse
Treibstoffmasse 88.365 kg
Gesamtmasse 95.021 kg[2]
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Europropulsion P80FW
Treibstoff Feststoff HTPB 1912 
Maximalschub (Seehöhe) 2.261 kN
spezifischer Impuls (Seehöhe) (?)
Brenndauer 114,3 s
2. Stufe
Hersteller Avio
Bezeichnung(en)
Länge 8,451 m[2]
Durchmesser 1,91 m[2]
Leermasse
Treibstoffmasse 23.906 kg
Gesamtmasse 26.563 kg[2]
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Avio Zefiro-​Z23 
Treibstoff Feststoff HTPB 1912 
max. Vakuumschub 1.196 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum) 289 s 
Brenndauer 86,7 s
3. Stufe
Hersteller Avio
Bezeichnung(en)
Länge 3,85 m
Durchmesser 1,91 m[2]
Leermasse
Treibstoffmasse 10.115 kg
Gesamtmasse
Antrieb 1 Feststofftriebwerk Avio Zefiro-​Z9 A
Treibstoff Feststoff HTPB 1912 
max. Vakuumschub 313 kN
spezifischer Impuls (Vakuum) 294 s
Brenndauer 128,6 s
4. Stufe
Hersteller Avio
Bezeichnung(en) AVUM
Länge 1,742 m[2]
Durchmesser 1,91 m[2]
Leermasse
Treibstoffmasse 550 kg
Gesamtmasse 1.237 kg[2]
Antrieb 1 Flüssigkeitstriebwerk KB Juschnoje RD-​869 
Treibstoff UDMHNTO
max. Vakuumschub 2,45 kN 
spezifischer Impuls (Vakuum) 315,2 s 
Nominal-​Brenndauer 317 s
Nutzlastverkleidung
Hersteller Ruag Space
Länge über Endstufe 7,18 m
max. Durchmesser 2,6 m
Konstruktionsmasse 470 kg
Nutzlastvolumen 20 m³

Quellen:

[1] VEGA PRESS KIT — VEGA QUALIFICATION FLIGHT VV01, Februar 2012 
[2] Herstellerangaben lt. http://​www​.elv​.it/ (abgerufen Februar 2012)
[3] VEGA USER’S MANUAL (ISSUE 3), März 2006