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Blick auf die Atlas-10D für den „Big Joe“ Test
Einen Test von grundlegender Bedeutung für das geplante bemannte Mercury Programm führte die NASA am 09.09.1959 durch. An diesem Tag startete von Cape Canaveral eine Atlas-​D (Atlas 10D) mit der Attrappe einer Mercury Kapsel. Diese entsprach konstruktiv nicht der wirklichen Mercury Kapsel und im Inneren befand sich auch nur eine kleine Druckkabine. Hauptziel dieser Mission war schließlich auch die Erprobung des ablativen Hitzeschildes. Mehr als 100 Sensoren sollten die Temperatur im Hitzschild, dahinter und in der Kabine messen. Diese Meßwerte und die Daten von 50 weiteren Instrumenten konnten während des Fluges direkt übermittelt werden. Der Flug diente aber auch der Qualifikation der Trägerrakete. Am selben Tag startete von Vandenberg eine Atlas-​D ICBM und nach ihrem Flug wurde das Atlas Waffensystem für einsatzbereit erklärt. Die Atlas 10D auf Cape Canaveral war auch erst das sechste Exemplar dieser Baureihe und Prototyp der Atlas-​LV3 B Mercury. Daher war es wenig verwunderlich, daß der angestrebte Starttermin 4. Juli (US Nationalfeiertag) nicht eingehalten werden konnte. Nachbesserungen an der Rakete verzögerten den Start bis Mitte August. Und schließlich sorgte die komplexe Sensor– und Telemetrieausrüstung für eine weitere Aufschub. Doch am 08./09.09.1959 lief der Countdown nahezu glatt durch. Auch der Start gelang zunächst ohne Probleme. Doch nach wenigen Minuten wurde klar, daß nicht alles nach Plan lief. Die beiden Boostertriebwerke der Atlas hatten sich nach Brennschluß nicht getrennt. Damit wurde eine Kalkulation der weiteren Flugbahn sehr schwierig. Nach einem, wie geplant, ballistischen Flug trat die Kapsel wieder in die dichtere Erdatmosphäre ein und ging im südlichen Atlantik nieder. Dort wurde sie von einem P2 V Suchflugzeug der US Navy entdeckt und rund sieben Stunden nach dem Start von dem Zerstörer USS „Strong“ geborgen. Wie sich zeigte, hatten die Lagekontrolltriebwerke der Kapsel vergeblich versucht, diese mitsamt der außerplanmäßig noch nicht abgetrennten Rakete für den Wiedereintritt auszurichten. Erst mit 138 s Verspätung gelang diese Trennung und die Kapsel richtete sich mit dem Hitzeschild voran aus. Der weitere Abstieg verlief dann planmäßig. Zwar entsprach die Belastung des Hitzeschildes nicht den Testvorgaben, sie reichte aber aus, um das Konzept der Kapsel zu bestätigen. Damit konnte der Test mit dem Spitznamen „Big Joe“ als Erfolg bewertet werden. Auf den bei einem Mißerfolg geplanten zweiten Testflug konnte verzichtet werden. Die NASA und ihre Industriepartner waren auf dem Weg zum bemannten Raumflug ein ganzes Stück weiter gekommen. Für die Convair Division, den Hersteller der Rakete, war der Flug allerdings weniger erfreulich. Wenigstens der Flug der Atlas 12D von Vandenberg am selben Tag zeigte aber das Potential der Rakete.