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„Ham“ mit der Ausrüstung für seinen Raumflug
„Ham“ nach seinem Flug mit dem Kommandanten des Bergungsschiffs, CDR Ralph A. Brackett
Start der MR-2 Kapsel
Nach mehrmonatigen Vorbereitungen stand Ende Januar 1961 die Mercury Kapsel #5 zum Start bereit. In den Wochen vor dem Start waren mehrere Hundert Reparaturen und Modifikationen an Kapsel und Rakete vorgenommen worden. Dennoch waren Ingenieure und Biologen optimistisch, daß Primat #65 — besser bekannt als „Ham“ (ein Akronym für Holloman Aerospace Medical Center), der den Flug an Bord der Kapsel absolvieren sollte, das Unternehmen überstehen würde. Nach den Erfahrungen beim Flug von MR-​1 A wurde die Bahn von MR-​2  flacher angelegt und der Flug sollte im wesentlichen automatisch gesteuert ablaufen. An Kapsel #5 waren einige Neuerungen eingeführt worden. So war der Flug z.B. die erste Bewährungsprobe für das Lebenserhaltungs– und Lagekontrollsystem, der erste Test der Retroraketen und der erste Einsatz des Sprach-​Kommunikationssystems. Außerdem wurde erstmals ein pneumatischer Landedämpfer erprobt. Der Hitzeschild bestand aus dem teuren Beryllium. Diese Ausführung war ursprünglich ausschließlich für die orbitalen Missionen vorgesehen gewesen, da man zu Beginn des Mercury-​Programms einer Wärmesenke auf der Basis eines metallischen Hitzeschildes eher vertraute als der relativ neuen Technik eines ablativen Hitzeschildes. Im Laufe des Programms änderte sich diese Einschätzung. Dennoch wurden die Beryllium-​Schilde noch eingesetzt, allerdings ausschließlich bei ballistischen Missionen. Sie waren eben verfügbar und hatten außerdem bessere stoßabsorbierende Eigenschaften. Der Start am 31.01.1961 stand trotz der gründlichen Vorbereitung mehrfach vor dem Abbruch, als ein Inverter im Stromversorgungssystem der Kapsel begann, sich zu überhitzen. Mehrmals wurde der Countdown angehalten, damit der Inverter abkühlen konnte. Letztlich wurde die Startfreigabe trotz des nicht behobenen Problems erteilt und die Mercury-​Redstone mit MR-​2  hob von LC-​5  auf Cape Canaveral ab. Schon eine Minute nach dem Start zeigten die Computer, daß der Startwinkel mindestens 1° zu steil war und sich weiter verringerte. 137 s nach dem Start war der flüssige Sauerstoff in den Tanks aufgebraucht und die automatische Flugsteuerung schaltete das Triebwerk ab. Das bewirkte eine halbe Sekunde später die Zündung des Rettungsraketensystems, was die Kapsel weiter beschleunigte. Während dieses noch arbeitete, zündeten bereits die Bremstriebwerke. Damit entsprachen die Bahnparameter kaum noch den angestrebten Werten. Dennoch verlief der weitere Abstieg nach Plan. Allerdings erfolgte die Wasserung der Kapsel weit außerhalb des Zielgebietes (Flugweite 679 km statt 467 km). Das nächste Schiff der Bergungsflotte war nahezu 100 km entfernt. Daraufhin wurden Hubschrauber der US Navy in Marsch gesetzt, die die Kapsel mit bedrohlicher Schräglage treibend vorfanden. Als schließlich einer der Hubschrauber die Kapsel bergen und zum Landungsschiff USS „Donner“ ausfliegen konnte, befanden sich bereits mehrere hundert Liter Wasser in ihrem Inneren. Wie sich zeigte, war der Hitzeschild beim Aufprall auf dem Wasser abgerissen und hatte mehrere Löcher in die Hülle der Kapsel geschlagen. Der Plastik Landedämpfer hatte sich gleichfalls verselbständigt und konnte die Kapsel im Wasser nicht stabilisieren. Schließlich hatte sich bereits beim Abstieg der Kapsel ein Ventil geöffnet, so daß zunächst fast die gesamte Kabinenatmosphäre entwich und später Wasser eindringen konnte. Davon unbeeindruckt hatte „Ham“ während des gesamten Fluges, wie trainiert, Knöpfe gedrückt und an Hebeln gezogen und dabei auf optische Signale reagiert. Auch die ungewollt verlängerte Phase der Schwerelosigkeit und Beschleunigungen von bis zu 14,7 g konnten ihn nicht irritieren. Die Biologen und Mediziner waren also über den Verlauf der Mission ziemlich glücklich. Die Techniker waren dagegen zwar mit dem Verhalten der Kapsel noch einigermaßen zufrieden, was man bezüglich der Rakete nicht sagen konnte. Und wieder zeigten die Kameras, die eigentlich das Verhalten von „Ham“ dokumentieren sollten, eine Unmenge an Staub und Kleinteilen, die unter Schwerelosigkeit aus allen Ecken der Kapsel hervorkamen. Die Probleme bei der Fertigung der Mercury Kapsel waren offensichtlich noch immer nicht überwunden. Und auch später durchgeführte Nachkontrollen vermochten den Zustand nicht wesentlich zu bessern. Bis zum ersten bemannten Flug blieb noch einiges zu tun.