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Start von „Aurora 7“
„Sigma 7“ beim Aufsetzen auf die Rakete
das MA-7 Ballon-Experiment
Scott Carpenter, Augenblicke nachdem ihn das Pararescue-Team erreicht hat
Bergung von Scott Carpenter per Hubschrauber
Carpenter nimmt die telefonischen Glückwünsche des US Präsidenten entgegen
Bergung der MA-7 Kapsel durch die USS „John R. Pierce“

Trotz einiger Probleme hatte der Flug von John Glenn an Bord von Mercury MA-​6  gezeigt, daß die meisten Kinderkrankheiten der Mercury Kapsel überwunden waren und das bemannte US Raumfahrtprogramm planmäßig weitergeführt werden konnte. Mitten in den Vorbereitungen zur Mission Mercury MA-​7  wurde am 15.03.1962 unerwartet Pilot Donald Slayton abberufen und durch Scott Carpenter ersetzt. Grund war ein unbedeutender Herzfehler Slaytons, der bereits 1959 beim Zentrifugentraining entdeckt worden war. Obwohl die konsultierten Ärzte mehrheitlich keine Einschränkungen in dieser Anomalie sahen, wurde Slayton, der eindeutig der am besten qualifizierte Testpilot der „Mercury Seven“ war, zunächst zurückgestellt, behielt aber interessanterweise seinen Flugstatus. Doch erst 1975, beim Apollo-​Sojus Gemeinschaftsflug erhielt er seine Chance. Die Planungen für Mercury MA-​7  sahen eine Kombination von technologischen und wissenschaftlichen Experimenten vor. Natürlich mußten die Ergebnisse von Mercury MA-​6  hinsichtlich des Verhaltens der Kapsel zunächst verifiziert werden. Statt der 180° Wendemanöver Glenns sollte Carpenter diesmal aber die Kapsel um mehrere Achsen drehen dürfen. Erdbeobachtungen machten wieder einen großen Teil des Flugprogramms aus. Neu war die Idee, einen gefesselten 1 m Ballon aus der Antennensektion der Kapsel auszustoßen. Fünf verschiedenfarbige Segmente (aluminiumfarben, gelb, orange, weiß und phosphoreszierend weiß/blau) sollten Studien zum Sehverhalten und fotografischen Experimenten dienen. Dazu kamen Untersuchungen der aerodynamischen Abbremsung. Breiten Raum nahmen auch Experimente zum Verhalten von Flüssigkeiten in der Schwerelosigkeit ein. Um Gewicht für zusätzliche Ausrüstung zu sparen, wurden einige offensichtlich überflüssige Einrichtungen bei Kapsel #18 eingespart, darunter die Sofar-​Bomben zur Ortung der gewasserten Kapsel und die Intrumenten-​Paneel-​Kamera. Schwierig war zunächst die Aufklärung der Ursachen für die Drift von Mercury MA-​6. Schließlich wurde das Problem in den Filtern der Treibstoffleitungen erkannt und durch neue Filter für alle Mercury Missionen behoben. Einen neuerlichen Fehlalarm des Landedämpfers verhinderten nun zwei unabhängige Sensoren. Ein neuer Höhenmesser war die Antwort der Ingenieure von McDonnell auf die vorzeitige Fallschirmaktivierung. So vorbereitet stand die Kapsel für die zweite US Orbitalmission bereit. Ursprünglich für die zweite Aprilwoche geplant, verzögerten die Modifikationen und Flottenmanöver, an denen auch einige der Bergungsschiffe teilnahmen, den Starttermin auf den 24.05.1962. An diesem Tag lief ein nahezu perfekter Countdown ab. Die wenigen kleinen technischen Probleme war rasch behoben und für den einzigen Halt des Countdowns sorgte dichter Bodennebel. Dieser löste sich aber wie vorhergesagt rasch auf und um 12:45 UTC hob die Atlas-​LV3 B Mercury Rakete von LC-​14  auf Cape Canaveral ab. Der Aufstieg verlief sehr ruhig und wieder mit hoher Präzision. Im Orbit begann Carpenter mit seinen Experimenten, wobei er intensiv die Steuerdüsen zur Ausrichtung der Kapsel nutzte. Dabei unterlief ihm jedoch sechsmal der Fehler, die Triebwerke im Hochleistungs-​Modus zu betreiben, bei dem sowohl die Triebwerke der Hand– wie auch die der Automatiksteuerung gezündet wurden. Aufgrund des hohen Treibstoffverbrauchs wurde er daher aufgefordert, fortan Treibstoff zu sparen. Während des zweiten Orbits stand dann das Experiment mit dem Fesselballon im Vordergrund des Interesses. Doch der Ballon entfaltete sich nur teilweise, so daß auch nur zwei der fünf Farben erkennbar waren. Schließlich mißlang auch noch die Abtrennung des Ballons, dessen 30 m lange Leine sich verfangen hatte. Da mittlerweile mehr als 50% des Lageregelungstreibstoffs aufgebraucht waren, wurde Carpenter aufgefordert, seine Mercury während des dritten Orbits überwiegend driften zu lassen. Probleme traten in diesem Flugregime nicht auf. Carpenter deckte jedoch durch Zufall die wahre Natur der „Leuchtkäfer“ Glenns auf. Als er versehentlich gegen die Einstiegsluke der Kapsel stieß, lösten sich nämlich auch bei ihm Schwärme dieser leuchtenden Objekte. Sie bestanden aus Eis, das sich an der Außenhaut bildete. Schließlich begannen die Vorbereitungen für den Wiedereintritt. Dabei kam es zu Problemen, als ein Horizont-​Scanner der Automatik versagte, die Kapsel korrekt auszurichten. Carpenter griff ein — und feuerte versehentlich 10 min lang wieder beide Triebwerkssysteme. Nun lag er jedoch hinter dem Zeitplan für das Retromanöver zurück. Die Zündung der Bremsraketen mußte manuell erfolgen, was Carpenter auch mit 3 s Verspätung bewerkstelligte. Das reichte aber schon für 24 km Zielabweichung. Dazu kam eine falsche Einschätzung der räumlichen Lage beim Bremsmanöver. Diese 25° steuerbord Abweichung von der Flugbahn bedeuteten weitere 280 km Zielabweichung. Und dann lieferten die Bremstriebwerke auch noch nur 97% des Nominalschubs. Als Carpenter während des Wiedereintritts schließlich seinen Fehler mit den Steuerungssystemen bemerkte, zeigte die Tankanzeige der Handsteuerung noch einen Rest von 6% an, das automatische System stand auf 15%. Da die Handsteuerung nicht mehr reagierte, mußten die 6% aber eine Fehlanzeige sein. Der restliche Treibstoff des automatischen Systems reichte auch nicht mehr weit. In knapp 23.000 m Höhe waren die Reserven aufgebraucht. Und die turbulenteste Flugphase stand Carpenter erst bevor. Die Taumelbewegungen überschritten wieder weit die zulässigen Grenzwerte. In etwa 7.600 m Höhe stieß Carpenter den Pilotschirm aus und wenig später ebenfalls manuell den Hauptfallschirm. Nach 4:56 h wasserte „Aurora 7“ schließlich am 24.05.1962 um 17:41 UTC sicher in 200 km Entfernung zu Puerto Rico. Rasch realisierte Carpenter, daß er weit außerhalb des Zielgebietes niedergegangen war (mehr als 385 km). Er verließ die Kapsel, die sich nur teilweise wieder aufgerichtet hatte, durch die Turmluke und kletterte in sein kleines Schlauchboot. Wenig mehr als eine Stunde nach der Landung trafen dennoch die ersten Douglas SC-​54  „Rescuemaster“ Flugzeuge bei ihm ein und zwei Marinetaucher sprangen per Fallschirm ab. Sie brachten zunächst zwei weitere Schlauchboote und vertäuten diese mit Carpenters. Auch die Kapsel wurde mit einem aufblasbaren Schwimmkragen gesichert. Es dauerte weitere zwei Stunden, bis ein Sikorsky HSS-​2  „Sea King“ Langstrecken-​Hubschrauber eintraf und Carpenter zum Flugzeugträger „Intrepid“ ausflog. In dieser ganzen Zeit veröffentlichte die NASA kein Kommuniqué. Daher wurde in der Öffentlichkeit zunehmend darüber spekuliert, daß Carpenter bei der Landung umgekommen sein könne. Entsprechend groß war die Erleichterung, als die NASA von der glücklichen Bergung berichtete. Carpenters „Aurora 7“ Kapsel wurde erst am nächsten Tag vom Zerstörer USS „John R. Pierce“ aufgenommen, nachdem ein anderer Zerstörer, die USS „Farragut“, bis dahin neben der Kapsel Position gehalten hatte. Bei der Auswertung des Fluges übernahm Carpenter die volle Verantwortung für den extensiven Treibstoffverbrauch. Dennoch erwiesen sich auch seine Fehler als nützlich für das weitere Programm. Mit dem Flug von Mercury MA-​7  waren die ursprünglichen Zielstellungen des Programms erfüllt. Jetzt galt es, mit den eingeschränkten Möglichkeiten der Kapsel, die Grenzen zu erweitern. Auch wenn das Management die Schuld für die Beinahe-​Katastrophe bei Carpenter suchte, wurden intern doch eine Reihe von Korrekturen vorgenommen. Man mußte sich eingestehen, daß es ein unverantwortliches Risiko gewesen war, quasi in letzter Minute den Flugplan mit einer Vielzahl von Experimenten zu überfrachten, während der Pilot lediglich für eine Wiederholung des Mercury MA-​6  Fluges trainiert war. Schließlich revidierte die NASA sogar ihre erste Einschätzung und schätzte ein, daß Carpenter die Mission trotz der Probleme mit dem PHS (Pitch Horizon Scanner) gerettet hatte. Die Medien verbreiteten aber weiter eine andere Sicht der Dinge und verloren ohnehin rasch das Interesse. Die körperlichen Beeinträchtigungen, die Carpenter 1963 bei einem Motorradunfall davongetragen hatte, brachten ihn um jede Hoffnung auf einen weiteren Raumflug. 1967 schied er daher aus der NASA aus und zwei Jahre später auch aus der US Navy.