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Start der ersten Atlas-Centaur
Fehlstart der Atlas-Centaur F-1 (AC-1)
Mit siebzehn Monaten Verspätung und nach neunmaliger Startverschiebung konnte am 08.05.1962 die erste Atlas Rakete mit der neuen kryogenen Oberstufe „Centaur“ von LC-​36 A auf Cape Canaveral starten. Im Frühjahr 1961 war die Rakete auf dem Startkomplex aufgerichtet worden und seitdem waren Techniker bemüht gewesen, die letzten technischen Probleme zu lösen. Da die neue Technik ihre Zeit bis zur Einsatzreife brauchen würde, war eine Serie von 10 Erprobungsflügen mit der Atlas-​Centaur geplant. Beim ersten Start der Atlas-​LV3 C Centaur-​A wurde noch keine Nutzlast mitgeführt, die Rakete war aber mit 540 Sensoren ausgestattet, deren Meßdaten während des ballistischen Fluges zum Boden übertragen werden sollten. Nach 55 s endete der Flug der Atlas-​LV3 C Centaur-​A F-​1  (rückwirkend später als AC-​1  bezeichnet) jedoch in einer gewaltigen Explosion. Bei der Ursachenforschung stieß man auf einen abgerissenen Schutzschild am Flüssigwasserstofftank der Centaur Stufe. Um den tiefgekühlten Treibstoff in der ersten Flugphase vor Überhitzung zu schützen, hatte man vier Paneele aus glasfaserverstärktem Kunststoff als Isolierung vorgesehen. Nach der Stufentrennung sollten sie zur Gewichtsersparnis abgetrennt werden. Wie sich zeigte, war die Aufhängung der Paneele jedoch strukturell zu schwach, um einer während des Fluges aufgetretenen Schockwelle standzuhalten. Eine der Verkleidungen wurde nach 49 s Flug abgerissen und in Sekunden überhitzte der Treibstoff. Der rasch ansteigende Druck im Flüssigwasserstofftank ließ diesen schließlich explodieren.
Der spektakuläre Fehlschlag nach jahrelangen kostspieligen Vorbereitungen führte zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den US Kongreß. Diese kam zu dem Ergebnis, daß ungenügendes Management von USAF und MSFC für den Mißerfolg grundsätzlich verantwortlich waren. Trotz des unglücklichen Auftakts wurde das anspruchsvolle Entwicklungsprogramm der ersten einsatzbereiten kryogenen Raketenoberstufe aber doch fortgesetzt. Allerdings wurde die Weiterentwicklung nun dem Lewis Center der NASA in Cleveland übertragen. Schon die nächsten Starts erfolgten mit weitgehend überarbeiteten Modellen, zunächst der Centaur-​B, dann der Centaur-​C. Ein extensives Bodentestprogramm half die wichtigsten Probleme zu eliminieren. Der Schutzschild wurde vollkommen umkonstruiert, das Problem der Treibstofflecks gelöst. Auch der Nutzlastanteil stieg wieder von 810 kg auf 952 kg für die Fluchtgeschwindigkeit. Dafür explodierten die Entwicklungskosten von 59 Mio. $ auf sagenhafte 350 Mio. $. Und bis zu Einsatzreife sollten noch Jahre vergehen!