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„Columbia“ F-1 auf der Startrampe
Start von „Columbia“ F-1
der abgetrennte Außentank von STS-1
Booster-Bergung bei STS-1
Blick in die Nutzlastbucht von STS-1
STS-1 Post Flight Presentation
John Young in der „Küche“ der „Columbia“
„Columbia“ F-1 im Landeanflug
„Columbia“ F-1 bei der Landung
„Columbia“ F-1 auf Runway 23 der EAFB
John Young beim Verlassen der „Columbia“

Exakt zwanzig Jahre nach dem bahnbrechenden Flug von Juri Gagarin schrieben die beiden US Astronauten John Young und Robert Crippen Geschichte. Erstmals starteten sie an Bord eines wiederverwendbaren Raumfahrzeugs ins All. Nach einer bitteren Pause von mehr als fünfeinhalb Jahren kehrte die NASA am 12.04.1981 in die bemannte Raumfahrt zurück. Endlich schienen die technischen Schwierigkeiten überwunden, die den Jungfernflug des Space Transportation System, kurz STS, jahrelang verzögert hatten. Eigentlich hatte der Start bereits am 10.04.1981 stattfinden sollen, doch die Hauptcomputer des Orbiters „Columbia“ liefen nicht exakt synchron. Dieses und weitere technische Probleme hatten den Countdown bereits drei Stunden lang aufgehalten. Das Abbruchkommando wurde dann neun Minuten vor T-​0  gegeben. Zwei Tage später lief der Countdown aber ohne Schwierigkeiten durch, nachdem ein Software-​Patch eingespielt worden war. STS-​1  „Columbia“ F-​1  startete am 12.04.1981 um 12:00 UTC von LC-​39 A in Cape Canaveral. Ziel dieses ersten von geplanten vier Testflügen war die umfassende Erprobung des Space Shuttle in allen Phasen einer Mission. Entsprechend bestand die Nutzlast eigentlich auch nur aus Sensoren, Datenaufzeichnungsgeräten und Telemetriesendern. Die Hauptnutzlast trug den Namen Development Flight Instrumentation (DFI) und war in der Nutzlastbucht untergebracht. Bis dato hatte die NASA alle bemannten Raumfahrzeuge und Trägerraketen für diese zunächst umfassend unbemannt erprobt. Ausgerechnet das bis heute komplexeste Raumfahrzeug unternahm nun seinen Jungfernflug gleich bemannt. Was die NASA als „kühnsten Testflug der Geschichte“ bezeichnete, sahen Kritiker als unvertretbares Risiko an. Hätte diese Mission in einer Katastrophe geendet, wäre die Raumfahrt in den folgenden Jahrzehnten wohl grundlegend anders verlaufen. Tatsächlich wurde das kühne Unternehmen aber zu einer Sternstunde der US Raumfahrt. Jedenfalls in der Außenwirkung. Wie nahe man gleich aus mehreren Gründen einer Katastrophe gekommen war, zeigten erst später interne Dokumente der NASA. Während die weltweit live übertragenen Fernsehbilder einen perfekten Start suggerierten, analysierten Experten die Aufnahmen von Hochgeschwindkeitskameras und Telemetriedaten, die eine andere Realität zeigten. Demnach war es schon bei der Zündung der Triebwerke beinahe zu einer Katastrophe gekommen. Nicht nur, daß die Druckwelle aus dem Flammschacht des Startkomplexes auf den Orbiter zurück reflektiert worden war. Aus den SRBs ausgeworfener unverbrannter Festtreibstoff hatte sich explosionsartig entzündet. Die Druckwelle traf mit voller Wucht auf das Seitenruder und die große Trimmklappe („Body Flap“) der „Columbia“. Gewaltige Kräfte wirkten auf die hydraulischen Antriebe und übertrafen die zulässigen Grenzwerte bei Weitem. Ohne funktionierende Steuerruder konnte der Orbiter aber nicht sicher gelandet werden. Bei Kenntnis der Umstände hätte das Kontrollzentrum in Houston Young und Crippen vermutlich angewiesen, lieber den riskanten Notausstieg per Katapultsitz zu riskieren und den Orbiter aufzugeben. So aber brachten zwei Zündungen der OMS Triebwerke das Space Shuttle mit den beiden Astronauten auf die geplante Umlaufbahn. Doch auch die erfahrenen Testpiloten hatten bemerkt, wie minutenlang Teile der Schaumstoffisolierung des Treibstoffaußentanks abbröselten und auf die Cockpit-​Scheiben sowie den Hitzeschild aufprallten. Die Schockwellen beim Start und das anschließende Bombardement beschädigten 148 der Keramikkacheln des Hitzschildes der „Columbia“. Weitere sechzehn gingen ganz verloren. Irritierend waren auch unerwartet heftige Auslenkungen der Ruderflächen des Orbiters während des Aufstiegs. Erst mit den Echtdaten der ersten Shuttle Flüge wurde deutlich, daß man bei der aerodynamischen Auslegung des Orbiters einige grundlegend falsche Annahmen getroffen hatte. Vor allem das Verhalten im hohen Überschallbereich hatte sich weder ausreichend genau mathematisch oder im Windkanal simulieren lassen, noch waren die Probleme bei den wenigen Flügen (im Unterschallbereich) des Testorbiters „Enterprise“ registriert worden. Glücklicherweise erwiesen sich Design und konstruktive Auslegung des Orbiters als tolerant gegenüber diesen Abweichungen. Unterdessen konnten die ausgebrannten Feststoffbooster in gutem Zustand geborgen werden. Nach dem Öffnen der Nutzlastbucht folgten einige Stunden später zwei weitere Triebwerkszündungen. Hätten sich die riesigen Abdeckungen des Frachtraums nicht öffnen lassen, wäre eine Notlandung unvermeidlich gewesen. Denn darunter verbargen sich die Radiatoren zur Ableitung der überschüssigen Wärme der Bordsysteme. Ohne wirklich ernste Probleme konnten Kommandant Young, ein Veteran aus dem Apollo Programm, und Pilot Crippen an den folgenden zwei Tagen die Systeme des Shuttle überprüfen, bevor sie mit einer Fülle von Daten den Rückflug zur Erde antraten. Eine Vielzahl kleinerer Probleme wurden registriert. Doch das kam bei einem so komplexen System nicht unerwartet. Besonders ärgerlich aus Sicht der Besatzung war dabei das Versagen der Temperaturregelung in der Kabine. Keines der Probleme war aber wirklich signifikant. Doch nun stand das kritische Wiedereintrittsmanöver an, das viele angesichts der inzwischen bekannten Schäden am Hitzeschild mit besonderer Spannung erwarteten. Zur Erleichterung aller verlief es ganz nach Plan. Unterstützt von den Bordcomputern und Radarsystemen am Boden steuerten die beiden Astronauten die Landebahn 23 auf der Edwards AFB an und setzten nach einem Flug von 54:21 h am 14.04.1981 um 18:21 UTC auf der Piste auf. Auch der Ausfall der beiden Radarhöhenmesser 23 Meter über Grund brachte Young und Crippen dabei nicht aus der Ruhe. Nachdem Spezialfahrzeuge die Außenhaut des Shuttle nach möglichen giftigen Gasen untersucht hatten, verließen die beiden Astronauten die „Columbia“ und wurden begeistert empfangen.
Die Auswertung des Fluges brachte noch weitere potentiell katastrophale Anomalien ans Licht. So hatte ein unerwarteter Überdruck in den Boostern bei deren Zündung den vorderen Oxidatortank des RCS (Forward Reaction Control System) deformiert. Eine falsch angebrachte Kachel im Bereich der ET-​Luke („ET-​Door“) erlaubte das Eindringen heißen Plasmas und führte zu Schäden an der Verriegelung. Ein hervorstehender „Gap Filler“, also ein Teil des Fugenfüllmaterials zwischen den Kacheln, lenkte ebenfalls Plasma in den Fahrwerksschacht. Glücklicherweise wurden dort keine lebenswichtigen Systeme zerstört. Die Schäden in dem Bereich waren dennoch beträchtlich. Und schließlich fanden sich bei den geborgenen Boostern unerwartete Schäden an an O-​Ringen zwischen deren Segmenten. Praktisch jede dieser Beschädigungen sollte im Shuttle Programm noch auf tragische Weise große Bedeutung erlangen…
Mit dem Flug der „Columbia“ hatten sich die USA eindrucksvoll in der bemannten Raumfahrt zurückgemeldet, wenn auch der Nachweis der Wiederverwendbarkeit noch erbracht werden mußte. Auch sollte sich schon bald zeigen, daß die Kosten für jede einzelne Mission weit höher lagen, als zunächst angenommen. Und auch die gewünschte Flexibilität sowie kurze Startfolgen von wenigen Tagen oder wenigstens Wochen konnten nie demonstriert werden. Statt eines kleinen Zubringerraumschiffs zu einer Raumstation hatte die NASA nun ein großes Lastenraumschiff. Zu groß für die meisten wissenschaftlichen Nutzlasten, zu teuer beim Start von gewöhnlichen Satelliten, aber gerade groß genug für den Transport der neuesten amerikanischen Aufklärungsplattformen. Das US Militär war anfangs geradezu begeistert von den Möglichkeiten des Shuttle. Das muß man auch vor dem Hintergrund des Kalten Krieges sehen, in dem sowohl die Sowjetunion als auch die USA den Weltraum als potentielles kommendes Schlachtfeld sahen. Glücklicherweise verlief die Entwicklung dann doch anders. Das „Star Wars“ Programm von US Präsident Ronald Reagan kam über einige Tests nicht hinaus und das Militär verlor das Interesse am Shuttle Programm. Auch die Sowjetunion mußte einsehen, daß das Space Shuttle nicht der gefürchtete „Weltraumkreuzer“ war. Dennoch wurde die Entwicklung der eigenen Raumfähre „Buran“ vorangetrieben. Das Space Shuttle transportierte aber eine Reihe herausragender wissenschaftlicher Nutzlasten und begann in den 1990er Jahren sogar, die russische Raumstation Mir anzufliegen. Und knapp zwanzig Jahre nach Beginn der Shuttle Flüge stand mit der Raumstation ISS auch ein Ziel für regelmäßige Versorgungs– und Taxiflüge bereit. Mehrfach modernisiert war das Space Shuttle auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch das einzige (teilweise) wiederverwendbare bemannte Raumtransportsystem der Erde. Ein echter Nachfolger ist nach seiner Außerdienststellung 2011 nicht in Sicht.