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Rollout der „Challenger“ am 30.11.1982 bei dichtem Nebel
STS-6: Austausch eines SSME auf der Rampe
Start von „Challenger“ F-1
Aussetzen von TDRS-A
die 1. EVA des Shuttle Programms: Musgrave (Mitte) und Peterson (rechts)
„Challenger“ F-1 im Augenblick der Landung

Das zweite Flugmodell des US Space Shuttle startete am 04.04.1983 mit zweieinhalb Monaten Verspätung zu seinem Jungfernflug. Der auf den Namen „Challenger“ getaufte Orbiter war ursprünglich ähnlich wie die „Enterprise“ als nicht (raum-)flugfähiges Testmodell (STA-​099) gebaut worden, konnte jedoch nach Abschluß der Erprobung mit vertretbarem Aufwand für Orbitalmissionen (OV-​099) fit gemacht werden. Tatsächlich ließen sich sogar eine Reihe struktureller Verbesserungen realisieren, die die Leermasse gegenüber der „Columbia“ beträchtlich reduzierten. Und die Einführung von Head-​up-​Displays (HUDs) im Cockpit verbesserte die Arbeitsbedingungen der Crew spürbar. Nun hatte die „Challenger“ eine vierköpfige Besatzung an Bord, deren Hauptaufgabe neben der Erprobung des neuen Shuttle im Aussetzen eines großen Daten-​Relais-​Satelliten bestand. Ferner sollte das erste Außenbordmanöver des Shuttle Programms nachgeholt werden, welches eigentlich bereits für die Mission „Columbia“ F-​5  geplant gewesen, aber nach Problemen mit den Raumanzügen abgesagt worden war. Die Startvorbereitungen der „Challenger“ verliefen nicht ohne Probleme. Ursprünglich war der Start bereits für den 20.01.1983 angesetzt gewesen, doch der Termin mußte viermal verschoben werden. Alle drei SSME Haupptriebwerke des Orbiters mußten repariert und dazu ausgebaut werden. Nach dem Flight Readiness Firing (FRF) am 18.12.1982 wurde an einem der Triebwerke ein Leck entdeckt, aus dem Wasserstoff austrat. Da man das Problem noch nicht umfassend verstanden hatte, unternahm man am 25.01.1983 ein zweites FRF. Das Leck bestätigte sich dabei. Daraufhin wurde die Demontage von SSME #1 (S/N 2011) angeordnet. Als Ursache erkannte man später die vorangegangene Kollision mit einem Kranhaken. Der 1,8 cm lange Riß war zwar entdeckt und geschweißt worden, doch hatte man aus Kostengründen (200.000 $) darauf verzichtet ihn zu härten. Das Flight Readiness Firing deckte den Mangel, der beim Start zur Explosion des Triebwerks hätte führen können, gerade noch rechtzeitig auf. Man erntschied sich dafür, das Triebwerk komplett auszutauschen. Dann wurden auch noch an den schwer zugänglichen Wasserstoffzuleitungen der beiden anderen Triebwerke Lecks entdeckt, die repariert werden mußten. Selbst das angeforderte Ersatztriebwerk (S/N 2016) kam mit einer defekten Wärmetauscherpumpe in Cape Canaveral an. Woraufhin ein weiteres neues Triebwerk (S/N 2017) angefordert wurde, das aber erst noch auf dem Teststand abgenommen werden mußte. Und so summierten sich die Ausgaben für die Triebwerksreparaturen schließlich auf über 5 Mio. $. Für weitere Verzögerungen sorgten Probleme mit dem Aussetzmechanismus des TDRS Satelliten. Und schließlich fegte am 28.02.1983 auch noch ein Sturm über Cape Canaveral hinweg, der viele empfindliche Systeme des Shuttles und seiner Nutzlast mit einer feinen Staubschicht überzog. Die Versiegelung zwischen dem Payload Changeout Room (PCR) in der Rotating Service Structure (RSS) und dem Orbiter hatte dem Sturm nicht standgehalten. Doch Ende März 1983 waren die Schwierigkeiten endlich überwunden, der Countdown konnte aufgenommen werden. Mit einer vierköpfigen Crew bestehend aus Kommandant Paul Weitz und Pilot Karol Bobko, sowie den Missionsspezialisten Donald Peterson und Story Musgrave an Bord hob die „Challenger“ F-​1  nach siebenmaliger Unterbrechung des Countdowns endlich am 04.04.1983 um 18:30 UTC von Cape Canaveral zur Mission STS-​6  ab. Alle vier Astronauten waren bereits seit den Tagen des Apollo– und Skylab-​Programms für die NASA aktiv, einzig Kommandant Weitz konnte aber bereits einen Raumflug vorweisen. Während des Aufstiegs mußten die SSME erstmals praktisch den auf 104% gesteigerten Maximalschub demonstrieren, der gemeinsam mit dem erstmaligen Einsatz des sogenannten Light Weight External Tank und von Light Weight Rocket Booster Casings zu einer spürbaren Nutzlaststeigerung beitragen sollte. Mit zwei OMS Impulsen war bereits die korrekte Bahn für das anstehende Aussetzmanöver des TDRS Satelliten erreicht. Etwa 10 Stunden benötigten die vier Astronauten, um den TDRS für das Aussetzen fertig zu machen. Die Verantwortung für das Manöver lag dabei in den Händen von Musgrave. Dieser richtete das Startgerüst von TDRS-​A zunächst 28°, später 59° aus der Nutztlastbucht auf. Nach einer letzten Überprüfung der Bordsysteme des Satelliten und nachdem seine fünf Lageregelungskreisel auf Touren gekommen waren, wurde er aus der Startvorrichtung ausgestoßen. Unter Zuhilfenahme der RCS Triebwerke manövrierte die „Challenger“ auf einen sicheren Abstand. 55 min nach dem Aussetzen zündete die erste Stufe des zweistufigen IUS Antriebssystems von TDRS 1 (TDRS-​A). Einige Zeit später die zweite. Doch diese arbeitete nicht einwandfrei, hatte 33 s zu früh Brennschluß und versetzte ihre Nutzlast zudem in heftige Taumelbewegungen. Während also das TDRS Kontrollzentrum um die Rettung des Satelliten kämpfte, hatten sich die vier Astronauten längst anderen Aufgaben gewidmet. Sie betreuten einige kleinere wissenschaftliche Experimente, wie z.B. das kommerzielle Continuous Flow Electrophoresis System (CFES) für McDonnell Douglas, den Monodisperse Latex Reactor (MLR) und Nighttime/Daytime optical Survey of Lightning (NOSL). Dazu kamen drei Getaway Specials (GAS) Container in der Nutzlastbucht mit Experimenten von der U.S. Air Force Academy, der George W. Park Seed Co. und Asahi Shimbun aus Japan. Vor allem bereiteten sie sich nun aber auf den Ausstieg von Peterson und Musgrave in die Nutzlastbucht der „Challenger“ vor. Am 07.04.1983 war es soweit. Die beiden Missionsspezialisten verließen die Luftschleuse der „Challenger“ und begannen in der Nutzlastbucht eine Reihe von Tests, mit denen die Handhabung und Funktion der neuentwickelten Raumanzüge überprüft werden sollte. Trotz einiger kleiner Probleme konnten Peterson und Musgrave ihr Programm absolvieren. Sie übten die Handhabung von neuentwickeltem Spezialwerkzeug für Arbeiten im All und simulierten das manuelle Schließen der Laderaumluken. Insgesamt absolvierten sie weitgehend das Testprogramm, das bei STS-​5  hatte ausfallen müssen. Dabei hatten Peterson und Musgrave nur ein oberflächliches Training mit den Raumanzügen erhalten, denn der Programmpunkt war kurzfristig mit in den Flugplan aufgenommen worden. Immerhin hatte Musgrave aber maßgeblich an der Entwicklung der EMUs mitgearbeitet und viel Zeit im Neutral Buoyancy Laboratory (NBL) bei Unterwasser-​Simulationen verbracht. Mit dem Ende des Außenbordmanövers nach 4:10 h näherte sich auch der Jungfernflug der „Challenger“ allmählich seinem Ende. Bei der Rückkehr zur Erde steuerten Weitz und Bobko einige zusätzliche Manöver mit insgesamt 30 Triebwerkszündungen. Dann setzte die „Challenger“ am 09.04.1983 um 18:54 UTC nach einem Flug von 120:24 h trotz heftigem Wind sicher auf Runway 22 der Edwards AFB auf.
Während sich die NASA sehr zufrieden über die Leistung von Besatzung und Shuttle äußerte, bemühten sich die Controller, den auf einer zu niedrigen Umlaufbahn gestrandeten TDRS 1 zu retten. Bilder einer NORAD Kamera in New Mexico hatten während der Antriebsphase der zweiten IUS Stufe einen Rauchkegel entgegen der Flugrichtung gezeigt. Eine spätere Analyse führte zu der Schlußfolgerung, daß eine hermetische Dichtung versagt hatte, woraufhin die schwenkbare Triebwerksdüse des IUS blockierte. Dazu kamen Elektronikprobleme, deren Ursache in einer ungewöhnlich hohen kosmischen Strahlungsdosis gesucht wurde. Glücklicherweise war die Kommandoantenne des wild mit 30 min–1  taumelnden Satelliten lange genug auf die TDRS Bodenstation ausgerichtet, um einige der blind gesendeten Befehle aufzufangen. Die IUS Stufe konnte abgetrennt und die Rotation verlangsamt werden, die Solarzellen entfalteten sich. Wie eine Analyse zeigte, reichte der Lageregelungstreibstoff aus, um TDRS 1 doch noch auf den geostationären Orbit zu manövrieren. Dadurch reduzierte sich zwar die Lebensdauererwartung, der für das US Raumfahrtprogramm so wichtige Satellit war aber gerettet. Nach 58 Tagen erreichte TDRS 1 den vorgesehenen Orbit und stand trotz aller anfänglichen Probleme noch viele Jahre im Einsatz. In den 1990er Jahren unterstützte er die Space Shuttle Missionen von einer Position über dem Atlantik, wurde später neu über dem Indischen Ozean positioniert. Aufgrund der vergleichsweise geringen Treibstoffreserven verzichtete man schon bald darauf, die Inklination von TDRS 1 bei 0° zu halten. Das eröffnete dem Satelliten unerwartet neue Nutzungsperspektiven. Denn damit war er optimal zur Kommunikation mit den Forschungsstationen in der Antarktis geeignet, die derart erstmals eine leistungsfähige Ku-​Band Anbindung erhielten. Diese erwies sich insbesondere im Rahmen von Telemedizin-​Einsätzen wiederholt wortwörtlich als lebenswichtig. Und dank der S-​Band Kapazitäten konnten die Forscher in der Antarktis Voice-​over-​IP– und email-​Kontakt zu Angehörigen und Instituten in der Heimat halten. Nach mehr als 25 Jahren Einsatz fiel im Spätsommer 2009 aber die letzte noch funktionstüchtige Wanderfeldröhre an Bord aus. Damit war das Ende der Mission besiegelt. TDRS 3 wurde auf die 49° Ost Position über dem Indischen Ozean verschoben und TDRS 1 auf einen Friedhofsorbit angehoben.