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Test des EXPRESS Satelliten
Inaugenscheinnahme der in Ghana aufgefundenen EXPRESS Kapsel
ISAS Geschichte 035: Startvorbereitungen der M-3SII-8 mit EXPRESS (1995)

Mit der letzten Mu M-​3SII Rakete im Inventar der japanischen ISAS startete am 15.01.1995 von Kagoshima eine Raumfahrtmission mit internationaler Beteiligung. Unter deutscher Federführung und Beteiligung russischer Experten war die EXPRESS Mission (Experimental Reentry Space System) geplant worden, mit der Japan und Deutschland Erfahrungen auf dem Gebiet der Wiedereintrittstechnologie sammeln wollten. Die Wiedereintrittskapsel selbst wurde von der deutschen DARA beim russischen Sojus Konstruktionsbüro gekauft. Der Preis von 30 Mio. DM lag weit unter den Kosten für eine eigenständige Entwicklung. Stattdessen wurde das Geld in die Experimente investiert. Verschiedene Sensoren sollten die Belastungen beim Wiedereintritt messen. Dazu kamen unterschiedliche deutsche und japanische hitzeresistente Materialien. Aus Japan stammten unterschiedliche Ablatormaterialien, Deutschland experimentierte mit kohlefaserverstärkten Kunststoffen und einer neuentwickelten Siliciumkarbitkachel (CETEX — Ceramic Tile Experiment). Geplant war nach dem Einschuß der Kapsel auf eine elliptische Bahn zwischen 210 und 398 km Bahnhöhe zunächst ein Systemcheck und die Kompensation etwaiger Taumelbewegungen mittels Kaltgasdüsen. Zuständig hierfür war ein Servicemodul. Dann war die Aktivierung des CATEX Mikrogravitationsexperiments im Inneren der Kapsel vorgesehen. 5 Tage und 10 Stunden sollte die EXPRESS Kapsel dann frei im Raum driften, wobei das Catalyst Experiment zur Synthetisierung von Kristallen aus Zeolit und gemischten Oxiden bzw. zur Katalyse von Sulfiden für die Erdölindustrie aktiv sein sollte. Einige der gewonnenen Experimentendaten konnten zwischengespeichert und beim Überflug einer der drei Bodenstationen (Santiago De Chile, Bermuda und Woomera) übermittelt werden. Nach Abschluß des Experiments war vorgesehen, das Lagekontroll– und Antriebssystem der Kapsel wieder zu aktivieren. Kaltgasdüsen hätten für eine Rotation von 150 min–1  gesorgt, bevor das Bremstriebwerk gezündet worden wäre. Die Landung war bei Woomera in Australien vorgesehen. Doch die Mission nahm einen ganz anderen Verlauf. Während des Aufstiegs fiel wegen eines Berechnungsfehlers die Lageregelung der Zweitstufe aus. Zwar stieg die Rakete mit ihrer Nutzlast auf 250 km statt der geplanten 210 km. Doch die Geschwindigkeit war für eine stabile Bahn zu gering. Daraus ergab sich ein Perigäum von lediglich 110 km! Da auch der Radartransponder der Rakete versagt hatte, konnte der weitere Aufstieg der Rakete nicht verfolgt werden. Ob das De-​Spinning der letzten Stufe noch erfolgte und unter welchen Umständen die Trennung der letzten Stufe erfolgte, wird immer ein Geheimnis bleiben. Die wenigen Daten vom Aufstieg der Rakete deuteten jedenfalls darauf hin, daß ihre Nutzlast in den Pazifik gestürzt war. Monate später drangen jedoch Gerüchte aus dem afrikanischen Ghana zu dem anerkannten britischen Raumfahrtexperten Geoffrey Perry, wonach dort im Januar 1995 ein merkwürdiges Objekt am Fallschirm gelandet war. Perry stellte anhand der Umstände (Ort und Zeitpunkt der Landung, Beschreibung des Objekts und kyrillische Beschriftung des Fallschirms) die die ghanaische Lokalpresse berichtet hatte die These auf, daß es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die verloren geglaubte EXPRESS Kapsel handelte. Ein entsprechender Artikel erschien im News Bulletin der Astronautical Society of Western Australia. Und wurde von DASA und DARA wahrgenommen. Wie sich herausstellte, hatte EXPRESS die Erde immerhin zweieinhalbmal umrundet, bevor der Satellit in die unteren atmosphärischen Schichten eintrat. Vermutlich trennte sich unter der hohen thermischen und mechanischen Belastung dabei das Servicemodul und der Backup-​Verzögerungssensor löste das Fallschirmsystem aus. In fast perfektem Zustand ging die Kapsel in Ghana nieder und wurde zunächst als Attraktion für die Bevölkerung nach Walewale verbracht, um schließlich in einem Luftwaffenhangar von Tamala eingelagert zu werden. Hier konnten zwei DARA Experten sie im Januar 1996 in Augenschein nehmen und erste Gespräche über eine Rückführung nach Deutschland führen. Und so gelangte EXPRESS doch noch zur Auswertung nach Bremen. Fragen warf die Tatsache auf, daß (offiziell) weder die US Weltraumüberwachung noch das vergleichbare russische System das immerhin über zwei Meter große Objekt im Orbit registriert hatten.