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Start der „Columbia“ zur STS-90 Mission
Blick in die Nutzlastbucht während der Neurolab Mission
das Spacelab bei seinem letzten Einsatz
„Kay“ Hire im Neurolab während STS-90
STS-90 Post Flight Presentation
Landung der „Columbia“ zum Abschluß der STS-90 Mission

Ein bedeutender Beitrag der europäischen Raumfahrtindustrie zum amerikanischen Space Shuttle Programm war die unter deutscher Federführung unternommene Entwicklung des Weltraumlabors Spacelab. Dank seines modularen Konzepts konnte dieses, integriert in die Nutzlastbucht des Shuttle, für verschiedenste Missionen eingesetzt werden. Acht verschiedene Konfigurationen waren konzipiert worden. Zwei Druckmodule und zahlreiche weitere Elemente wurden an die NASA geliefert. Als das Spacelab in den 1970er Jahren entworfen wurde, erwartete man praktisch wöchentliche Einsätze des Shuttle. Viele davon sollten unter Einsatz des Spacelab stattfinden. Daher wurden die Labormodule für eine Lebensdauer von zehn Jahren oder fünfzig Missionen ausgelegt. Schließlich kamen aber insgesamt nur zweiundzwanzig Spacelab Missionen zustande. Und dies über einen Zeitraum von vierzehneinhalb Jahren. Den letzten Flug erlebte das Spacelab MD002 Modul nun während der Neurolab Shuttle Mission 1998. Obwohl das zweite Flugexemplar des Spacelab bei dieser Mission auch bereits zwölfeinhalb Jahre im Einsatz stand, konnte es nach sorgfältiger Prüfung ohne Bedenken auch für diesen Einsatz nochmals freigegeben werden. Verankert in der Nutzlastbucht der „Columbia“ hob es am 17.04.1998 um 18:19 UTC — mit eintägiger Verzögerung wegen technischer Probleme — von Cape Canaveral ab. Die Besatzung der „Columbia“ F-​25  STS-​90  Mission umfaßte den Kommandanten Richard Searfoss, den Piloten Scott Altman, die Missionsspezialisten Richard Linnehan, Dafydd Williams (Kanada) und Kathryn Hire sowie die beiden Nutzlastspezialisten Jay Buckey und James Pawelczyk. In zwei Schichten betreuten sie die vielfältigen Experimente an Bord. Wissenschaftler aus 10 Nationen hatten die 26 Experimente beigesteuert, die sich schwerpunktmäßig mit der Erforschung neuronaler Prozesse im Gehirn befaßten. Auch ein Teil der Crew diente dabei als „Versuchskaninchen“. Daneben dienten 18 trächtige Mäuse, 152 Ratten, 135 Schnecken, 229 Schwertschwanzfische, 4 Austernfische und 1.514 Grillen als Versuchstiere. Ein Großteil der Versuchstiere wurde bereits im Verlauf der Mission getötet und seziert. Einige der Ratten trugen Elektroden im Hippocampus, so daß die Hirnaktivität bei Versuchen, die der Erforschung von Lern– und Gedächtnisprozessen dienten, direkt aufgezeichnet werden konnte. Ins Innenohrsystem implantiert Elektroden dienten dagegen bei den Austernfischen der Erforschung des Gleichgewichtssinns. Und anhand der Entwicklung von Rattenembryos und –babies wurde die Adaption an die Schwerelosigkeit untersucht. Die Astronauten mußten dagegen Experimente über sich ergehen lassen, die auch praktischen Bezug zu den Problemen der Raumfahrt hatten. So wurde die sensorisch-​motorische Leistungsfähigkeit der Probanden getestet, am Vestibularsystem — verantwortlich u.a. für die sogenannte „Raumkrankheit“ — geforscht, der Schlaf der Astronauten intensiv überwacht u.a.m. Nach sieben Tagen im All geriet die Mission vorübergehend in ernste Probleme, als die Sauerstoffversorgung zusammenzubrechen drohte. Dabei sollte die Mission dank EDO (Extended Duration Orbiter) Kit zwei Wochen intensiver Forschungen ermöglichen. Zunächst gelang es der Besatzung, mit Lithiumhydroxid-​Containern den Sauerstoffgehalt der Atemluft zu stabilisieren. Aber erst ein Provisorium, bei dem Kommandant Searfoss mit reichlich Klebeband ein defektes Ventil umging, rettete die Mission. Die hatte allerdings in den letzten Tagen noch ein weiteres unerwartetes Problem bekommen. Und für dieses fand sich keine Lösung. Nicht ungewöhnlich war, daß ein Teil der Versuchstiere auf einem solchen Flug verstarb. Doch gegen Ende dieser Mission säugten immer mehr der Rattenmütter ihre Jungen nicht mehr. Mehr als die Hälfte der 96 Rattenbabies starb daher von selbst, was die Aussagekraft der betroffenen Experimente natürlich verringerte, gleichzeitig aber zum Ausgangspunkt weiterer Forschungen wurde. Dennoch war die Mission aber so erfolgreich, daß Wissenschaftler in der ganzen Welt von einem weiteren Neurolab Flug träumten. Dem erteilte die NASA jedoch schon bald eine Absage. Zukünftig sollten vergleichbare Forschungen nur noch an Bord der ISS erfolgen, mit deren Aufbau man bald beginnen wollte. Und so endete mit der Landung der „Columbia“ am 03.05.1998 um 16:09 UTC nach 381:50 h auf der Runway 33 des KSC eine Ära des Shuttle Programms.