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Start der Mars Express Mission
Mars Express
so sollte Beagle 2 auf dem Mars forschen
Mars Express HRSC 3D-Bild von Olympus Mons
Eisfelder in Polnähe gesehen von Mars Express
spektakuläre Aufnahme eines Kraters mit Eissee
15 Jahre Mars Express

Jahrzehntelang hatte sich die europäische Raumfahrtorganisation ESA auf die Entwicklung von Anwendungs– und Forschungssatelliten sowie die vereinzelte Teilnahme an bemannten Raumflügen konzentriert. Raumsonden, wie sie in den 1960er Jahren von der ESRO konzipiert worden waren, fanden keinen Eingang in die Planungen. Doch im Jahr 1999 beschloss die ESA die Mars Express (MEX) Mission als Bestandteil des „Horizon 2000 plus“ Programms. Geplant wurden mehrere sogenannte „F“ (flexibel) Missionen zum Mars und zur Venus, die einen möglichst großen Nutzen aus der Verwendung einheitlicher Baugruppen ziehen sollten. Mars Express sollte die Pfadfinderrolle innerhalb des Programms übernehmen und im Sommer 2003 als erste Sonde gestartet werden. Dieser Zeitpunkt ermöglichte dank einer günstigen Planetenkonstellation den Start einer vergleichsweise schweren Sonde mit der für die Mission ausgewählten Sojus-​FG Rakete. Da Mars Express selbst nicht mehr als 150 Mio. € kosten durfte, griff man bei der Entwicklung auf bestehende und erprobte Systeme zurück. Der Bus stellte eine Weiterentwicklung desjenigen der (wegen des Fehlstarts der ersten Ariane-​5ECA noch nicht geflogenen) Rosetta Sonde dar. Auch bei der wissenschaftlichen Ausrüstung konnte man größtenteils auf bereits vorhandene Systeme zurückgreifen. HRSC, die High Resolution Stereo Camera, war ursprünglich in Deutschland für die gescheiterte Mars 96 Mission entwickelt worden. Diese Kamera konnte durch die Kombination der im Rot-​, Blau-​, Grün– und Nahinfrarot-​Bereich gewonnenen Aufnahmen stereoskopische Bilder mit 10 m Auflösung liefern. Der Super Resolution (SR) Kanal bot sogar eine Auflösung von 2,3 m unter optimalen Bedingungen. Ziel der Missionsplaner war es, die gesamte Marsoberfläche mit der bis dahin unerreichten Auflösung von 30 m zu fotografieren (erstmals zudem flächendeckend in Farbe). Höheninformationen (auf 10 m genau) sollten ebenfalls in globalem Ausmaß gewonnen werden. Und etwa 1% der Marsoberfläche hoffte man mit höchster Auflösung dokumentieren zu können. OMEGA, das französische Observatoire pour la Minéralogie, l’Eau, les Glaces et l’Activité, wurde ebenfalls aus der Reserveeinheit eines Instruments der Mars 96 Mission entwickelt. Das abbildende Spektrometer (sichtbarer und infraroter Bereich) diente der Suche nach Mineralien, Wasser und Eis, konnte aber auch die Zusammensetzung der Atmosphäre und die Temperatur am Boden bestimmen. In Italien wurde das Planetary Fourier Spektrometer (PFS) entwickelt. Dabei handelte es sich um ein breitbandiges IR-​Spektrometer. Dieses wurde zur Analyse der Atmosphäre eingesetzt, konnte aber auch die Zusammensetzung des Marsbodens bestimmen. Im Laufe der Mars Express Mission erhofften die Wissenschaftler, eine globale Kartierung von Mineralien, Erzen und Spurengasen vornehmen zu können. Das SPICAM (Spectroscopy for Investigation of Characteristics of the Atmosphere of Mars) Spektrometer durchleuchtete in verschiedenen Betriebsmodi die Marsatmosphäre und maß so z.B. die Konzentrationen von Spurengasen wie Ozon oder Kohlenmonoxid. Wie das PFS ging auch SPICAM auf ein Instrument zurück, das für die Mars 96 Mission entwickelt worden war. Die Vorgänger von ASPERA-​3  (Analyzer of Space Plasmas and Energetic Atoms) flogen ebenfalls bereits mit Phobos 1 und Phobos 2 und waren an Bord von Mars 96. Nun erhielten die vier Sensoren des Instruments endlich die Gelegenheit, über einen längeren Zeitraum geladene und neutrale Teilchen in der oberen Marsatmosphäre nachzuweisen. Neu für die Mars Express entwickelt wurde dagegen das MARSIS (Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionosphere Sounding) Radar. Durch die Wahl des Frequenzbereichs war das Instrument sowohl in der Lage, die Ionosphäre des Mars zu untersuchen, als auch seine Oberfläche. Wichtigste Aufgabe von MARSIS war die Suche nach Eis oder Wasser unterhalb des Marsbodens.
Zu der Zeit, als die ESA die Mars Express beschlossen hatte, suchte in Großbritannien ein Wissenschaftlerteam um Colin T. Pillinger eine Möglichkeit zur Umsetzung seiner Beagle 2 Marslandemission. Da Großbritannien praktisch kein nationales Raumfahrtprogramm hatte, setzten die Wissenschaftler auf eine Finanzierung durch Sponsoren. Doch konnte nur ein Bruchteil der benötigten Gelder aufgebracht werden, die zur Umsetzung der Idee erforderlich waren. Dennoch gelang es Pillinger die ESA davon zu überzeugen, Beagle 2 einen Mitflug auf der Mars Express Mission zu ermöglichen. Die Nutzlastkapazität der Sojus-​FG Rakete ließ die Mitnahme einer knapp 100 kg schweren sekundären Nutzlast zu. Das war zwar etwa soviel, wie man für Beagle 2 kalkuliert hatte, allerdings als Landemasse. Also mußte der Entwurf radikal überarbeitet werden. Es entstand ein minimalistischer Lander, der bei einem Ausgangsgewicht von 74 kg auf dem Mars noch 33 kg wiegen sollte. Angesichts der engen Massenvorgaben war die redundante Auslegung auch nur einzelner Systeme unmöglich. Schließlich wollte man mit dem winzigen Lander ein anspruchsvolles Forschungsprogramm absolvieren. Der Anthropomorphic Robotic Manipulator (ARM), ein hochbeweglicher 1 m langer Manipulatorarm sollte die Instrumente der Payload Adjustable Workbench (PAM) mit hoher Präzision rund um den Lander zum Einsatz bringen. Das Gas Analysis Package (GAP) bestand aus einem Massenspektrometer und zwölf Öfen, in denen Bodenproben erhitzt und analysiert werden konnten. Dabei sollte geziel u.a. nach Karbonaten (Hinweis auf früher vorhandenes Wasser) und organischen Spuren gesucht werden. Dagegen maß die Environmental Surface Suite atmosphärische Paremeter. Zwei Stereo-​Kameras und eine Mikroskop-​Kamera jeweils mit vorschaltbaren Filtern ergänzten die Ausrüstung, zu der auch ein Mössbauer Spektrometer und ein Röntgenstrahlenspektrometer zählten. Besonders interessant war das deutsche „Maulwurf“ Experiment. PLUTO, das Planetary Undersurface Tool sollte über den Boden „kriechen“ und sich beim Auftreffen auf ein Hindernis unter dieses in den Marsboden bohren. Der winzige Bohrer konnte bis in 3 m Entfernung zum Lander agieren und bis in 1,5 m Tiefe vordringen. Dort sollte er Temperaturmessungen vornehmen und Proben für das GAP entnehmen. Mit dieser Ausrüstung war Beagle 2 durchaus ein ernstzunehmender wissenschaftlicher Beitrag vor allem im Hinblick auf die Suche nach Leben. Dem britischen Team um Professor Pillinger gelang es jedoch lediglich einen Bruchteil des Geldes für die Mission aufzubringen, obwohl wissenschaftliche Institute aus dem In– und Ausland die wissenschaftliche Ausrüstung beisteuerten. Erst als die ESA 24 Mio. € zuschoß, war das Projekt gerettet. Für die ESA bedeutete dieses Engagement, daß der Bau einer zweiten Empfangstation für Mars Express, welche die empfangbare Datenmenge verdoppelt hätte, auf 2004 verschoben werden mußte. Zudem beging die ESA den Fehler, die Projektleitung weiter bei dem in solchen Dingen unerfahrenen Pillinger Team zu lassen. Das sollte Konsequenzen haben. Trotz der nun einigermaßen gesicherten Finanzierung lag das Beagle 2 Projekt bis zuletzt hinter dem Zeitplan zurück. Daher konnten kaum Tests der einzelnen Systeme, geschweigedenn der gesamten Sonde unternommen werden. Vor allem das Landesystem blieb eine große Unbekannte. Der Eintrittswinkel in die Atmosphäre hing ausschließlich von der Präzision bei der Abtrennung vom „Mutterschiff“ Mars Express ab. Im Gegensatz zu den Landestufen der amerikanischen Rover verfügte Beagle 2 nicht über ein Triebwerk, das den Lander bei Seitenwind hätte stabilisieren können. Und statt vieler kleiner Airbags kamen aus Gewichtsgründen lediglich drei große zum Einsatz. Gerade die Airbags wurden aber vor dem Start nie unter realen Bedingungen getestet. Und so bestätigten sich die Befürchtungen vieler Experten. Den Start Huckepack auf Mars Express überlebte Beagle 2 zunächst unbeschadet. Mehrfach war der Starttermin der Mission verschoben worden, u.a. auch wegen Verunreinigungen innerhalb der Nutzlastverkleidung. Am 02.06.2003 gelang der Start der Sojus-​FG 11A511U-​FG mit Fregat 14S44 Beschleunigungsstufe von Baikonur aber ohne Probleme. Am 19.12.2003 trennte sich Beagle 2 dann von Mars Express, ein Vorgang, der von einer Kamera dokumentiert wurde. Danach sollte Beagle 2 planmäßig inaktiv bleiben bis etwa eine Stunde vor dem Eintritt in die Atmosphäre. Doch von Beagle 2 kamen nie mehr Lebenszeichen. Weder der amerikanische Mars Odyssey 2001 Orbiter, noch Mars Express oder das Radioteleskop von Jordell Bank konnten ein Signal auffangen. Offenbar war Beagle 2 gescheitert. Die Ursache blieb aber im Dunkeln. Der Fehlschlag löste vor allem in Großbritannien ein gewaltiges Medienecho aus. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt, die schwere Mängel bei der Realisierung des Projekts feststellte. Beagle 2 hätte unter den gegebenen Umständen niemals starten dürfen. Auch die ESA sah sich heftiger Kritik ausgesetzt, weil sie Gelder der Mitgliedsstaaten derart unkritisch ausgegeben hatte. Überhaupt überlagerte der Mißerfolg von Beagle 2 anfangs den Erfolg der Mars Express Sonde. Zwar litt Mars Express selbst unter dem Ausfall von 30% der Solarzellenkapazität, was eine teilweise Neuplanung der Mission erforderlich machte. Ansonsten funktionierten die Systeme aber nahezu perfekt. Am 20.12.2003 hatte Mars Express zunächst noch ein Ausweichmanöver geflogen, um Beagle 2 nicht zu gefährden. Das entscheidende Bremsmanöver am Mars fand dann am 25.12.2003 statt. Mehrere Triebwerkszündungen justierten die Bahn anschließend planmäßig. Bald darauf konnten die wissenschaftlichen Untersuchungen aufgenommen werden. Probleme bereitete lediglich das Antennensystem des MARSIS Experiments. Beim Ausklappen des ersten Auslegers waren dessen Gelenke blockiert und mußten erst im Sonnenlicht aufgetaut werden. Dann gab es Bedenken hinsichtlich eines möglichen Zurückschwingens der immerhin 20 m langen Antennen. Zeitweise wurde sogar erwogen auf den Einsatz von MARSIS zu verzichten, um die gesamte Mission nicht zu gefährden. Doch letztlich konnten zwischen dem 02.05. und dem 17.06.2005 alle Ausleger ausgeklappt und verriegelt werden. Damit war auch dieses Experiment einsatzbereit. Seither wurde der Betrieb von Mars Express mehrfach verlängert, denn die Mission lieferte herausragende Ergebnisse. So wurden Indizien für das Vorhandensein von Wassereis gefunden, Methan in der Atmosphäre nachgewiesen und spektakuläre hochauflösende Bilder von Strukturen auf der Marsoberfläche zur Erde übertragen. Bilder des verschollenen Beagle 2 Lander waren nicht daraunter. Diese lieferte Ende 2005 stattdessen Mars Global Surveyor. Die damalige Interpretation der schemenhaften Strukturen auf den Bildern ging dahin, daß der Abstieg von Beagle 2 durch die Atmosphäre fatal mißlungen war. Demnach wurde der Hitzeschutzschild nie abgeworfen und der Fallschirm entfaltete sich auch nicht. Schließlich „landete“ Beagle 2 wohl auch noch in einem Krater, wobei zuguterletzt die Airbags versagten. Überraschend mußte dieses Szenario revidiert werden, als die HiRISE Kamera des Mars Reconnaissance Orbiter im Januar 2015 bessere Aufnahmen übermittelte. Die Objekte, die 2005 Beagle 2 zugeordnet worden waren, hatten mit diesem wohl nichts zu tun. Doch hatte man den Lander nun in einiger Entfernung tatsächlich entdeckt. Und die Bilder schienen zu bestätigen, daß die Landung selbst wohl nach Plan verlaufen war. Doch offenbar waren nur zwei der vier Solarzellenflächen ausgeklappt. In diesem Zustand war aber die Antenne des Landers blockiert…