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Start der Mu M-V mit MUSES-C
MUSES-C auf der letzten Raketenstufe
Asteroid (25143) „Itokawa“
Aufnahme von Itokawa aus nur 4,7 km Entfernung am 23.10.2005 gewonnen
Nahaufnahme von Geröll im „Komaba“ Krater (aufgenommen aus 110 m Entfernung am 12.11.2005)
„Hayabusa“ Rückkehr zur Erde
Bergung der „Hayabusa“ Landekapsel

Eine enorm anspruchsvolle Mission plante das japanische ISAS mit dem Flug der Raumsonde MUSES-​C. Ziel war es, mit der Sonde auf einem Asteroiden zu landen, dort Messungen vorzunehmen und Proben zu entnehmen und diese wieder zur Erde zurückzubringen. Daraufhin entwickelte das ISAS eine kleine Raumsonde, die für die mehrjährige Mission mit einem Ionentriebwerk ausgerüstet wurde. Konventionelle Triebwerke und Lageregelungskreisel sollten die Orientierung und die Manöver im Nahbereich des als Ziel ausgewählten Asteroiden (25143) „Itokawa“ unterstützten. Ursprünglich war der Start der Mission für den Juli 2002 geplant gewesen. Doch der Fehlstart einer M-​V Rakete im Februar 2000 führte zu Verzögerungen bei allen folgenden japanischen Missionen, die auch diesen Raketentyp einsetzen sollten. Für die MUSES-​C Mission bedingte das zudem eine neue Missionsplanung. Statt (4660) „Nereus“ sollte Mu Engineering Spacecraft C nun den Asteroiden (25143) „Itokawa“ ansteuern. Da sich dieser Ende März 2001 sowie Ende Juni 2004 der Erde bis auf 6,4 bzw. 2 Mio. km näherte, blieb genügend Zeit, die Eignung des neuen Zielobjekts vorab zu untersuchen. Im September 2005 sollte die Sonde nun ihr Ziel erreichen, um dort etwa drei Monate zu bleiben und im Juni 2007 zur Erde zurückzukehren. Bei der Ankunft am Ziel waren zunächst Überflüge in rund 20 km Höhe geplant, um den winzigen Himmelskörper zu kartieren. Nach etwa einem Monat, so hofften die Wissenschaftler, würde man eine Landung auf „Itokawa“ versuchen können. Zuvor war aber das Absetzen eines winzigen, von der NASA beigesteuerten, Rovers geplant. Dann würde sich die Sonde mehrfach dem Asteroiden nähern und winzige Geschosse abfeuern, die Materie aus seiner Oberfläche herausschlagen sollten. Die wollte man dann mit einer Art „Staubsauger“ aufsammeln. Ende 2000 gab die NASA ihren Rückzug aus dem Programm bekannt. Die geplanten Entwicklungskosten von 21 Mio. $ für den MUSES-​CN Rover waren weit überschritten worden, ohne daß ein Ende absehbar war. Das ISAS kompensierte dies mit der Entwicklung eines eigenen Miniaturrovers. Schließlich erfolgte am 09.05.2003 vom Raumfahrtzentrum Kagoshima der Start der inzwischen auf den Namen „Hayabusa“ getauften Sonde auf einer konstruktiv überarbeiteten M-V (v.2) Rakete. Am 19.05.2004 unternahm die Sonde ein swing-​by-​Manöver, welches sie in 3.700 km Höhe wieder an der Erde vorbeiführte. Der Vorbeiflug, der die Bahn justierte und „Hayabusa“ weiter beschleunigte, wurde auch genutzt, um die wissenschaftliche Ausrüstung der Sonde zu testen und sie zu kalibrieren. Drei Kameras (eine mit Teleobjektiv und zwei mit Weitwinkelobjektiv) sowie ein Spektrometer für den Nah-​Infrarot-​Bereich fertigten Bilder der Erde und des Mondes an. Im September 2005 erreichte „Hayabusa“ schließlich ihr Ziel. 300 Mio. km von der Erde entfernt nahm die Sonde ihre Forschungen auf. Anfang Oktober war der Abstand zu „Itokawa“ bis auf wenige Kilometer geschrumpft. Dabei kam es am 02.10.2005 zum Ausfall eines Lagestabilisierungskreisels. Auch zuvor hatten bereits einige Systeme versagt. Doch der Flugleitung beim japanischen ISAS gelang es, einen neuen treibstoffsparenden Betriebsmodus zu entwickeln, der eine Fortführung der Mission zuließ. Am 04.11.2005 unternahm die Flugleitung dann erstmals den Versuch, auf dem Asteroiden zu landen, um dort Bodenproben zu entnehmen. Doch in etwa 640 m Höhe über dem kartoffelförmigen Asteroiden verlor das Kamerasystem die Orientierung auf das Zielgebiet und das Manöver mußte abgebrochen werden. Da die Ursache nicht sofort klar war, setzte die JAXA, die inzwischen die Verantwortung für die Mission trug, alle weiteren Manöver mit „Hayabusa“ vorläufig aus. Schließlich wurde aber beschlossen, am 12.11.2005 und 25.11.2005 zwei neue Anflüge zu unternehmen. Knapp über der Oberfläche des nur 540 m langen Asteroiden sollte am 12.11.2005 der Miniatur-​Roboter MINERVA (Micro/Nano Experimental Robot Vehicle for Asteroid) abgesetzt werden, der auf „Itokawa“ herumspringen und dort Temperaturmessungen und Fotos anfertigen sollte. Das von „Hayabusas“ Bordcomputer weitgehend autonom gesteuerte Manöver verlief jedoch nicht nach Plan. Als sich „Hayabusa“ dem Ziel bis auf 70 m genähert hatte, wurde das Kommando zum Ausstoß von MINERVA gesendet. Doch statt weiter zur Oberfläche des Asteroiden hinabzusteuern stieg „Hayabusa“ auf 1 km Sicherheitsabstand. Wie sich bei der Auswertung der Daten zeigte, hatte der LIDAR Höhenmesser aufgrund einer falschen Ausrichtung lange Zeit einen zu großen Abstand signalisiert. Als das Zielgebiet wieder in Sicht kam, meldete das LIDAR plötzlich nur noch 40 m Abstand. Daraufhin setzte der Computer einen Notaufstieg in Gang, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Zu diesem Zeitpunkt war aber das Kommando zum Aussetzen von MINERVA bereits unterwegs. Als es eintraf, betrug der Abstand schon wieder 200 m. Da das Schwerefeld von „Itokawa“ extrem schwach war, driftete der Rover an dem Asteroiden vorbei und entschwand aus dem Blickfeld der Kamera. Immerhin erreichte ein ebenfalls ausgesetzter Zielmarker die Oberfläche des Asteroiden. Auch der erste Versuch zur Probenentnahme auf dem Asteroiden „Itokawa“ verlief am 19.11.2005 nicht nach Plan. In 40 m Höhe wurde der nächste Targetmarker abgesetzt und der weitere Abstieg von „Hayabusa“ orientierte sich nun an diesem fixen Zielpunkt. Die Oberfläche des Markers bestand aus einer Aluminiumfolie, die die Namen von 877.590 Menschen aus 149 Ländern enthielt, unter ihnen der Regisseur Steven Spielberg und der britische Science Fiction Autor Arthur C. Clarke. Kritisch war das Manöver u.a. dadurch, daß „Hayabusa“ jetzt seine Hochgewinnantenne von der Erde wegschwenken mußte. Damit war nur noch eine sehr eingeschränkte Kommunikation mit der Missionskontrolle möglich. Während auf der Erde also niemand wußte, wie das Manöver weiter verlief, verharrte „Hayabusa“ lange in nur 10 m Höhe über dem Zielgebiet, setzte aber nicht zur Probenentnahme an. Schließlich gab der Bordcomputer ein Abbruchkommando, um einen Zusammenprall mit dem unregelmäßig geformten Asteroiden zu vermeiden. Als die Kommunikation mit „Hayabusa“ wiederhergestellt war, brachte eine genauere Untersuchung der Daten jedoch zu Tage, daß die Sonde entgegen der ersten Annahme doch gelandet war. Streulicht hatte die Sensoren irritiert und so wurde der Sicherheitsmodus aktiviert, nachdem „Hayabusa“ ihre Position nicht mehr ermitteln konnte. Bevor jedoch das Kommando zum Wiederaufstieg initiiert wurde, war „Hayabusa“ zweimal mit „Itokawa“ zusammengeprallt. Angesichts der minimalen Schwerkraft hatte der Aufprall mit 10 cms–1  aber keine gravierenden Folgen. Nach den beiden „Hüpfern“ ruhte „Hayabusa“ für etwa 30 min auf der Oberfläche von „Itokawa“, bevor der Wiederaufstieg erfolgte. Da sich die Sonde aber die ganze Zeit im Sicherheitsmodus befunden hatte, konnte der Mechanismus zur Probenentnahme nicht ausgelöst werden. Damit ruhten alle Hoffnungen auf einem letzten Versuch, der für den 25.11.2005 geplant war. An diesem Tag begann die Sonde „Hayabusa“ erneut den Abstieg zur Oberfläche des Asteroiden. Auf das Aussetzen des letzten Zielmarkers konnte verzichtet werden, da die Markierung vom letzten Landeversuch wieder aufgefaßt werden konnte. Nach etwa einer Stunde registrierten Sensoren eine leichte Verformung des Sammeltrichters für die Aufnahme der Probenpartikel. Daraufhin sollten zwei Tantal-​Kugeln abgefeuert werden, um Material aus der Oberfläche des Asteroiden herauszuschlagen. Nach dem zweiten „touch and go“ Manöver auf dem Asteroiden „Itokawa“ geriet „Hayabusa“ leider vorübergehend vollkommen außer Kontrolle. Der Wiederaufstieg war zunächst noch nach Plan verlaufen. Die beiden ausgefallenen Stabilisierungskreisel forderten dann aber doch wohl ihren Tribut und schließlich zeigte sich auch noch, daß der ohnehin knappe Treibstoff für die Lageregelungstriebwerke leckte. Der Treibstoff verdampfte und ließ „Hayabusa“ unkontrolliert taumeln. Zudem kühlte die Sonde aus und auf den Solarzellen kondensierender Treibstoff führte zur Entladung der Batterien. Erst am 29.11.2005 konnten mit Unterstützung des DSN der NASA erste Notfallprozeduren übermittelt werden. Ganz allmählich gelang es, die Datenrate wieder zu steigern. Doch am 12.12.2005 mußte die JAXA bekanntgeben, daß die schwer angeschlagene Sonde nicht wie vorgesehen am 14.12.2005 das Ionentriebwerk für die Rückkehr zur Erde würde zünden können. Die für den 10.06.2007 vorgesehene Landung in der australischen Wüste war damit hinfällig. Wie erst später bekannt wurde, war am 08.12.2005 der Funkkontakt zu „Hayabusa“ abgerissen. Die winzige Hoffnung auf eine Rettung der Mission bestand nun darin, daß sich in den nächsten Monaten und Jahren die Taumelbewegung von „Hayabusa“ von selbst reduzieren würde, was eine stabile Kommunikation und ein Nachladen der Batterien zuließe. Ob allerdings die Systeme von „Hayabusa“ bis dahin durchhalten würden, war absolut unklar. Schließlich mußte das Xenon-​Triebwerk noch den Rückflug zur Erde bewerkstelligen und die Kapsel den Abstieg zur Erde überstehen. Und das alles mit Systemen, die Temperaturen weit außerhalb der zugesicherten Grenzwerte ausgesetzt gewesen waren und die noch dazu drei Jahre länger als geplant funktionieren mußten. Gewißheit über den Erfolg der Landemanöver konnte auch erst die erfolgreiche Bergung der Rückkehrkapsel bringen. Denn in der wenigen übermittelten Telemetrie fanden sich, wie die JAXA erst später verlautbarte, keine Hinweise auf ein erfolgreiches Probenentnahmemanöver. Möglicherweise waren die beiden Projektile nie abgefeuert worden. Im Januar 2006 konnte endlich der Funkkontakt zu „Hayabusa“ wiederhergestellt werden. Damit wurde es möglich, eine Reihe von wichtigen Operationen einzuleiten. Zunächst wurde „Hayabusa“ im Sonnenlicht „gebacken“, um verbliebene Treibstoffreste verdampfen zu lassen. Dann wurden die LiIon-​Batterie geladen, die Probenkapsel versiegelt und die Bordsysteme getestet. Ein neues Regime für die Lageregelung mußte improvisiert werden, wozu Xe Kaltgas genutzt wurde. Bis September 2006 waren die sieben noch funktionierenden von ursprünglich elf Zellen der LiIon-​Batterie soweit geladen, daß eine Reihe von missionskritischen Operationen möglich wurde. Im November 2006 traten nochmal Probleme mit einem Heizelement im Reaction Control System auf, doch zwischen dem 17. und 18.01.2007 war es endlich möglich, die Probensammelbehälter in die Landekapsel zu transferieren und diese zu versiegeln. Und am 25.04.2007 wurde eines der Ionentriebwerke gezündet, um „Hayabusa“ auf eine Bahn zur Erde zu beschleunigen. Zuvor war es den Experten gelungen, das minimal asymmetrische Moment zu kompensieren, das von dem Ionentriebwerk ausging. Dazu setzte man gezielt den Sonnendruck ein. Im August 2007 konnte auch das Ionentriebwerk C wieder aktiviert werden, nachdem man bisher ausschließlich mit den Triebwerken B und/oder D operiert hatte. Die minimale Hoffnung auf eine sichere Rückkehr zur Erde im Jahr 2010 stieg damit wieder etwas. Ab dem 24.10.2007 flog die Sonde antriebslos auf einer Hohmann-​Bahn in Richtung Erde, bevor im Februar 2009 die Triebwerke wieder gezündet werden mußten. Das kritische Manöver gelang, doch Anfang November 2009 fiel Triebwerk D aus und ließ sich auch nicht wieder aktivieren. Damit stand kein zuverlässig arbeitendes Triebwerk mehr zur Verfügung. Die JAXA Experten improvisierten eine Kombination aus der Ionen-​Quelle von Triebwerk B und dem Neutralisator von Triebwerk A. Dieses Provisorium steuerte „Hayabusa“ ab Mai 2010 dann tatsächlich auch noch durch eine Serie von Kurskorrekturen. Als sich die Sonde im Juni 2010 im Endanflug auf die Erde befand, lieferten nur noch vier von elf Batteriezellen Strom. Doch nun blieb der JAXA das Glück hold. Am 09.06.2010 wurde eine letzte Bahnkorrektur unternommen, bevor am 13.06.2010 die Landekapsel abgetrennt wurde und in der Atmosphäre eintauchte. Während die Sonde selbst in der Atmosphäre verglühte, ging ihre Landekapsel im militärischen Sperrgebiet von Woomera, Australien nieder. Innerhalb einer Stunde war sie lokalisiert und bald darauf geborgen. Zwar fanden sich im Probenbehälter später nur sehr wenige Partikel von „Itokawa“. Doch lieferten bereits sie aufschlußreiche Erkenntnisse. Und befeuerten die Bemühungen um eine Nachfolgemission, die auch bewilligt und im Dezember 2014 gestartet wurde.