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Silostart der Dnepr Rakete
Kopfblock der Dnepr Rakete mit den montierten Satelliten und <nobr>P-Pods</nobr>

Nach dem ersten Fehlstart einer Dnepr Rakete am 26.07.2006 war die Ursache, ein Hydraulikdefekt, relativ schnell ausgemacht. Dennoch vergingen noch Monate, bis Kasachstan seine Zustimmung zur Wiederaufnahme der Flüge erteilte. Obwohl die Rakete in der menschenleeren Steppe niedergegangen war, machte Kasachstan schwere Umweltschäden geltend und verlangte Entschädigungszahlungen in Höhe von mehreren Millionen Dollar. Die Verhandlungen darüber zogen sich über Monate hin, so daß Startanbieter Kosmotras erst Ende 2006 mit den Vorbereitungen für die nächste Mission beginnen konnte. Vorgesehen war ein Start Mitte Januar 2007, doch Kasachstan hatte seine Zustimmung noch immer nicht gegeben, so daß die Mission auf den 29.03.2007 verschoben werden mußte. Aufgrund der zügig verlaufenden Startvorbereitungen konnte der Termin dann immerhin wieder auf den 27.03.2007 vorverlegt werden. Ziel der Mission war der Transport des ersten ägyptischen Erderkundungssatelliten und einer Reihe von weiteren Klein– und Pikosatelliten auf einen sonnensynchronen Orbit. Doch nach der Montage des Kopfteils der Rakete mit den darin eingeschlossenen Satelliten traten unerwartete Probleme auf. Nach der Verschiebung um zunächst einen Tag wurde der Start neu für den 17.04.2007 angesetzt. Ein defekter Kabelbaum im Kopfteil mußte bis dahin ausgetauscht werden, wozu das Kopfteil von der startbereiten Rakete wieder abgenommen und ins Vorbereitungsgebäude 31 von Baikonur zurückgebracht wurde. Am 17.04.2007 startete die Dnepr-1 Rakete dann wie vorgesehen aus ihrem Silo. Alle 14 Nutzlasten erreichten den planmäßigen Orbit. Hauptnutzlast war der ägyptische Erderkundungssatellit EgyptSat 1 (oder MisrSat 1). Dieser 157 kg schwere Satellit war vom ukrainischen Konstruktionsbüro Juschnoje gemeinsam mit der ägyptischen NARSS (National Authority for Remote Sensing and Space Sciences) auf Basis der MS-​1 TK Plattform entwickelt und bei JuschMasch gebaut worden. Der Satellit verfügte über ein Kamerasystem, das einen 45 km breiten Streifen mit einer multispektralen Auflösung von 8 m abbildete. Zum Empfang der Daten wurde eine Bodenstation in Assuan mit ukrainischer Hilfe ausgebaut, eine weitere am Stadtrand von Kairo neu errichtet. Zudem verfügte die Ukraine über ein Kontrollzentrum. Hier wurden auch 60 ägyptische Experten ausgebildet, die die Leitung des Programms übernehmen sollten. Die relativ hohe Auflösung des Imager-​Systems von EgyptSat 1 sowie dessen Fähigkeit zur store-​and-​forward Kommunikation weckten in Israel Befürchtungen, daß es sich bei dem Satelliten in Wahrheit eher um den ersten ägyptischen Aufklärungssatelliten handelte. In der Tat sind die Grenzen hier tatsächlich fließend. Bereits im Juli 2010 verlor das ägyptische Kontrollzentrum den Kontakt zu EgyptSat 1 und drei Monate später mußte er aufgegeben werden.
Ähnlich wie EgyptSat 1 war der saudiarabische SaudiSat 3 konzipiert. Wie seine beiden Vorgänger war er in der King Abdulaziz City for Science and Technology (KACST) entwickelt und gebaut worden. Größer als die bisherigen SaudiSat verfügte er über ein von SUNspace in Südafrika geliefertes hochauflösendes Bildaufnahmesystem. Auch er war angeblich mit einer store-​and-​forward Kommunikationsnutzlast ausgerüstet. Details verlauteten zu dem Satelliten nicht.
Weiter transportierte die Dnepr Rakete fünf saudiarabische Mikro-​Kommunikationssatelliten. SaudiComsat 3, SaudiComsat 4, SaudiComsat 5, SaudiComsat 6 und SaudiComsat 7 sollten Teil eines Netzwerks aus 24 derartigen Satelliten werden, die auf kommerzieller Basis store-​and-​forward Kommunikation mit Stationen rund um den Globus ermöglichen sollten. Auch dieses Projekt war eine Entwicklung der KACST, wurde aber nie in dieser Form verwirklicht.
Neben den fünf „größeren“ Satelliten hatte die Rakete drei P-​Pods an Bord, aus denen mehrere Pikosatelliten ausgestoßen wurden. P-​POD A enthielt CP4, AeroCube 2 und CSTB 1. In P-​POD B waren CP3, CAPE 1 und Libertad 1 untergebracht. P-​POD C war komplett für das MAST Experiment reserviert. Die beiden CP (PolySat) Satelliten stammten von der California Polytechnic State University. CP3 sollte dabei vor allem die Lagereferenz mittels 2-​Achsen Magnetometer und die Lagekontrolle unter Einsatz von Magnetorquern erproben. Die Magnetorquer waren jedoch wegen eines Softwarefehlers nur eingeschränkt nutzbar. Und auch die Kommandoübertragung war problembehaftet. Zudem brach immer wieder unvermittelt jeder Kontakt zu dem Satelliten ab, bevor er sich nach Wochen voll funktionstüchtig zurückmeldete. Die Probleme trugen dazu bei, daß von den beiden Kameras an Bord innerhalb von anderthalb Jahren nur 2 MB an Bilddaten übertragen werden konnten. CP4 alias CP2.1 war ein Reflight des 2006 beim Fehlstart der letzten Dnepr verlorengegangenen CP2. Mit diesem wurden grundlegende Tests des CubeSat Designs unternommen. Bereits unmittelbar nach dem Start wurde aber deutlich, daß es Probleme mit dem Kommandoempfang gab. Vor allem längere Sequenzen konnten somit nicht fehlerfrei übermittelt werden. Komplikationen bei einer Datensession führten dann auch dazu, daß nach zwei Monaten nur noch eingeschränkte Telemetrie empfangen und einfache Kommandos übertragen werden konnten. Überraschend kehrte der Satellit nach etwa einem Jahr wieder in den ursprünglichen Zustand zurück, bevor der Kontakt nach weiteren zwei Monaten erneut abbrach. AeroCube 2 wiederholte ebenfalls die Mission seines bei dem Fehlstart zerstörten Vorgängers. Er stammte von The Aerospace Corp., einem Beratungsunternehmen der USAF. Zu seiner Ausrüstung und Aufgabenstellung verlautete nicht viel. Ein Satz von CMOS Kameras wurde mitgeführt, die vom Harvey Mudd College, einer privaten Eliteschule, beigesteuert worden waren. Auch sollten Kommunikationsexperimente mit AeroCube 2 durchgeführt werden. Und man wollte einen aufblasbaren Ballon testen, der zum Ende der Mission die aerodynamische Abbremsung soweit steigern sollte, daß die Verweildauer im Orbit auf unter 25 Jahre sank. Damit entsprach man einer Vorgabe der FCC (Federal Communications Commission), die anderenfalls die Lizenz zur Nutzung des 915 MHz Frequenzbandes verweigert hätte. Nach nur 30 Stunden brach aber die Energieversorgung des Satelliten zusammen, da die Laderegelung der Solarzellen versagte. Immerhin hatte der Satellit bis dahin eine Reihe (30) von Erdaufnahmen übertragen, darunter eine, die den gerade ausgesetzten CP4 zeigte. CSTB 1 (Cubesat Testbed) stammte von der Boeing Company und sollte die Tauglichkeit eines Pikosatelliten als Testplattform für verschiedene Sensoren, Computer und Antennen verifizieren. Boeing sah hier perspektivisch die Möglichkeit, kostengünstig bestimmte Komponenten zukünftiger Satelliten zu erproben. CAPE 1 wiederum stammte von der University of Louisiana. Dort war er als studentisches Projekt entwickelt und gebaut worden. Eine passive magnetische Stabilisierung des Satelliten sollte ausreichen, die integrierte Kamera auf die Erde zu orientieren. Nach dem Start zeigte sich aber, daß die Pufferbatterie des Satelliten defekt und ein Kontakt nur im Sonnenlicht möglich war. Auch war die Empfindlichkeit des Kommandoempfängers so schlecht, daß keine Befehle übertragen werden konnten. Umgekehrt waren die vom Satelliten übermittelten Packet-​Radio Informationen fehlerhaft codiert und ließen sich daher nicht auswerten. Einige Statusdaten konnten immerhin im CW Modus empfangen werden. Nach vier Monaten brach der Kontakt zu CAPE 1 ab, sporadisch konnten aber Monate später wieder Signale empfangen werden. Unter dem Namen Libertad 1 hatte die Universidad Sergio Arboleda in Bogotá den ersten kolumbianischen Satelliten entworfen. Er sollte eigentlich über einen GPS-​Empfänger und eine Kamera verfügen, was aber wegen Zeit– und Finanzproblemen nicht umsetzbar war. Daher beschränkte man sich auf einen Sender, der eine Strophe der kolumbianischen Nationalhymne abspielen sollte. ITAR Restriktionen verhinderten die Lieferung geeigneter Solarzellen, so daß man auf konventionelle Batterien auswich. Das beschränkte die erwartete Lebensdauer auf etwa 52 Tage, tatsächlich wurden die letzten Signale nach 34 Tagen empfangen. Da wegen des engen Powerbudgets nur alle 10 min eine kurze Telemetrieübertragung erfolgte, gestaltete sich der Signalempfang bei den meisten Überflügen sehr schwierig. Und wegen eines defekten Antennenantriebs konnte auch die Bodenstation der Universität keine Kommandos zum Satelliten übermitteln. Das interessanteste Experiment stand hinter dem Projekt MAST. Das Multi-​Application Survivable Tether Experiment hatte zum Ziel, die Dynamik eines Fesselsatelliten zu untersuchen. Dazu wurden der Tether DeployerTED“, der Tether InspectorGADGET“ und die Tether EndmassRALPH“ gemeinsam in einem P-​POD gestartet. TED enthielt eine 1.000 m lange Trosse aus einem HoytetherTM Geflecht. Von dieser Auslegung versprach man sich eine hohe Überlebensfähigkeit auch bei multiplen Beschädigungen aufgrund von Mikrometeoriten, elektrischen Entladungen und Alterung. Der Hersteller dieser Fasern, die Tethers Unlimited Inc., wollte nun mit MAST ihre Entwicklung unter kosmischen Bedingungen erproben. Nach dem Ausbringen der Trosse mit der Endmasse war vorgesehen, daß der GADGET Satellit sich regelmäßig entlang des Kabels bewegen sollte, um dessen Zustand zu dokumentieren. Nach dem Start gelang es jedoch nur, Kontakt zu GADGET aufzunehmen. Die Batterien von TED und RALPH hatten sich offenbar entladen, bevor ein Funksignal aufgefangen werden konnte. Daher erwies es sich als schwierig festzustellen, ob die Trosse überhaupt ausgerollt worden war. Eine Analyse der verfügbaren Daten führte letztlich zu dem Schluß, daß aufgrund mechanischer Probleme nur ein kurzes Stück abgerollt werden konnte.