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die Zenit-3SL mit NSS 8

Der Start eines Kommunikationssatelliten für den Betreiber SES New Skies sollte für den Startanbieter Sea Launch den Auftakt bilden für ein geschäftiges Jahr. Nicht nur die „Odyssey“ Startplattform mit der Zenit-​3SL Rakete war für das Jahr 2007 gut gebucht, auch für den Jungfernflug mit der Zenit-3SLB von Baikonur hatte sich ein Kunde gefunden. Schlechtes Wetter mit rauer See und kleinere technische Probleme hatten den Start von NSS 8 bereits um mehrere Tage verzögert, als die Prognosen für das Seegebiet im Pazifik endlich Besserung verhießen. New Skies wartete sehnsüchtig auf den von Boeing gefertigten BSS-​702  Hochleistungssatelliten. Ursprünglich bei der Teilprivatisierung des Intelsat Konsortiums entstanden und mit einem Teil der Intelsat Flotte bestückt, hatte man 2002 die ersten beiden neuen Satelliten gestartet. Nun, nach der Übernahme durch den SES Konzern, sollte die Flottenmodernisierung vorangetrieben werden. NSS 8 verfügte über 46 C-​Band und 42 Ku-​Band Transponder, die von einer Position über 57° Ost u.a. der Ausstrahlung von Fernseh– und Rundfunkprogrammen, der Videodistribution, der Datenübertragung und der Internetanbindung dienen sollten. Abgedeckt werden konnte eine Zone, die von Europa und Afrika über den Mittleren Osten bis nach Indien und Asien reichte. Mit der Indienststellung von NSS 8 sollte der bis dahin dort operierende NSS 703 abgelöst werden. Am 30.01.2007 hob die Rakete schließlich von der „Odyssey“ ab. Doch nach wenigen Zentimetern Vorwärtsbewegung stürzte die Zenit-​3SL zurück und hüllte die gesamte Plattform in einen gewaltigen Feuerball. Was zunächst kaum für möglich gehalten worden war bestätigte sich, als sich der Rauch verzogen hatte. Die Startplattform machte einen kaum beschädigten Eindruck (was sich später auch bestätigen sollte). Von der „Sea Launch Commander“ aus begab sich nach einer ersten Analyse der Situation eine seemännische Crew an Bord der Plattform. Sie stellten erfreut fest, daß abgesehen von oberflächlichen Schäden lediglich der Startmast und die Tore des Hangars erkennbar gelitten hatten. Und vor allem fehlte von dem 250 Tonnen schweren Flammenabweiser unterhalb des Abgasschachts der „Odyssey“ jede Spur. Offenbar war die Rakete praktisch senkrecht durch den Schacht auf den Abweiser und mit diesem ins Meer gestürzt.
Nachdem die Seetüchtigkeit der „Odyssey“ feststand, begab sich diese in Begleitung der „Sea Launch Commander“ auf den Rückweg in den Heimathafen Long Beach. Hier traf sie am 16.02.2007 ein, eine Woche nach der „Sea Launch Commander“. Am Liegeplatz in Long Beach wurden bis zum April dann eine Reihe von Reparaturen vorgenommen. In Rußland begannen unterdessen die Arbeiten an einem neuen Flammenabweiser. Um diesen zu montieren und für einen Teil der sonstigen Reparaturen sowie für einen neuen Anstrich wählte man den Hafen von Vancouver als Ziel.
Während die Schadensanalyse an der „Odyssey“ ebenso wie die ersten Reparaturen rasch vorankamen, bestimmten auf anderer Ebene gegenseitige Schuldzuweisungen das Bild. In der russischen Presse war die Rede vom Versagen der „ukrainischen Rakete“, während umgekehrt in der Ukraine die Schuld bei den „russischen Triebwerken“ gesucht wurde. Da die Überreste der Rakete im Meer versunken waren, standen zur Ursachenforschung praktisch ausschließlich Video– und Telemetriedaten zur Verfügung. Diese schienen jedoch die Theorie zu bestätigen, wonach wieder einmal ein Fremdkörper im Antriebssystem den Fehlstart verursacht hatte. Am 13.03.2007 wurde auch offiziell bestätigt, daß ein Fremdkörper die Ursache gewesen war. Später spezifizierte die Untersuchungskommission, daß es sich vermutlich um ein Teil aus dem Flüssigsauerstoff-​Tanksystem handelte, das die Turbopumpe zerstört hatte.
Obwohl Sea Launch schon bald die Wiederaufnahme der Flüge der Zenit-​3SL für den Herbst 2007 ankündigte, zogen einige Kunden doch ihre Startaufträge zurück. Insbesondere Arianespace profitierte davon, die gleich mehrere der Aufträge an sich ziehen konnten. Langfristig sollte das gravierende Auswirkungen haben. Jedenfalls trug der Fehlstart wohl erheblich dazu bei, daß Sea Launch im Jahr 2009 Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragen mußte. Letztlich sollte sich das Unternehmen von diesem, im Satellitenstartgeschäft nicht einmal so ungewöhnlichen, Rückschlag nie wieder erholen.
Auch für New Skies bedeutete der Verlust des leistungsstarken NSS 8 Satelliten einen herben Rückschlag. Zunächst wurde beschlossen, den Betrieb von NSS 703 über dem Indischen Ozean bis mindestens 2009 zu verlängern. Für dieses Jahr war der Start von NSS 9 auf eine Pazifikposition geplant. Das würde es ermöglichen, dort NSS 5 abzulösen, der nun seinerseits die Nachfolge von NSS 703 antreten sollte. Mit dieser und anderen Maßnahmen gelang es, die Einbußen weitgehend zu kompensieren.