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GOCE Start im frühabendlichen Nebel
GOCE vor der Montage auf der Bris-KM Stufe
GOCE Geoid aus dem Jahr 2011

Mit der Gravity field and steady-​state Ocean Circulation Explorer Mission hatte die ESA ein Forschungsprojekt umgesetzt, das eine Vermessung des irdischen Gravitationsfeldes in bisher nicht erreichter Qualität leisten sollte. Um auch noch feinste Variationen der Schwerkraft messen zu können, wurde der GOCE Satellit nicht nur mit extrem empfindlichen Instrumenten ausgestattet, sondern auch noch auf eine sehr erdnahe polare Bahn befördert. Der Start erfolgte mit einer russischen Rockot-​KM Rakete am 17.03.2009 vom Kosmodrom Plesetsk. Tags zuvor war der Countdown noch in letzter Sekunde abgebrochen worden, als der Serviceturm des Startkomplxes nicht rechtzeitig weggerollt werden konnte. Tatsächlich hatte die Mission da aber bereits ein halbes Jahr Verzug. Denn der Satellit war schon im September 2008 startklar in Plesetsk montiert gewesen, als bei letzten Tests ein Defekt am Navigationssystem der Bris-​KM Endstufe der Rakete entdeckt wurde. Zunächst ging man davon aus, den Schaden vor Ort finden und beheben zu können. Doch offenbar war das Problem größer als zunächst vermutet. Jedenfalls verstrichen die beiden nächsten avisierten Starttermine Anfang bzw. Ende Oktober 2008 ungenutzt, bevor ein neuer Versuch für Ende Februar 2009 in Aussicht gestellt wurde. Im März 2009 gelangte der Satellit schließlich auf seine projektierte Bahn. Da diese noch durch die oberen Schichten der Atmosphäre führte, wurde GOCE, für einen Satelliten eher ungewöhnlich, bewußt aerodynamisch ausgelegt. Der fünf Meter lange Rumpf des Satelliten lief pfeilförmig spitz zu und erhielt eng am Körper anliegende Solarzellenflächen ähnlich den Federn am Schaft eines Pfeils. Um das Absinken aus der 270 km hohen Bahn zu kompensieren, verfügte GOCE über zwei Ionentriebwerke, die kontinuierlich gezündet werden sollten, um die auf den Satelliten wirkenden Störkräfte auszugleichen und einen Flug im „Drag-​Free-​Modus“ zu ermöglichen. Ein Satz Gravitationsgradiometer bildete die eigentliche wissenschaftliche Ausrüstung des Satelliten, ein extrem präziser GPS-​Empfänger lieferte die Referenzdaten für die zentimetergenaue Bahnbestimmung. Trotz der Optimierung seiner Bauform war die primäre GOCE Mission im Rahmen des ESA-​Programms Living Planet auf die Dauer von lediglich zwanzig Monaten ausgelegt. In dieser Zeit sollte der Satellit nicht nur mit nie dagewesener Präzision die Form der Erde vermessen und Unterschiede im Schwerkraftfeld kartieren. Auch Meeresströmungen verursachen bekanntermaßen Abweichungen der Meeresspiegelhöhe, die bis zu zwei Meter hoch sein können und als Meerestopographie bezeichnet werden. Die genaue Kenntnis der Meerestopographie erlaubt wiederum Rückschlüsse auf die großräumige Zirkulation in den Ozeanen. Veränderungen hier sind mit den zunehmend dramatischen Klimaänderungen verbunden. Die GOCE Mission verknüpfte somit auf einzigartige Weise verschiedene Wissenschaftsgebiete.
Im Februar 2010 fiel der Primärcomputer des Satelliten aus, woraufhin auf das Sekundärsystem umgeschaltet werden mußte. Als dieses im Juli 2010 ebenfalls versagte, drohte das vorzeitige Ende der Mission. Offenbar war GOCE nicht länger in der Lage, eingehende Kommandos zu entziffern. Als Notmaßnahme wurde die Bahn des Satelliten daher zunächst angehoben, um Zeit für eine Lösung des Problems zu gewinnen. Glücklicherweise erwiesen sich die Defekte in beiden Kommandoketten als technisch vollkommen verschieden. So gelang es schließlich einen Softwarepatch zu entwickeln und an GOCE zu übertragen, der die funktionsfähigen Systeme aus Primär– und Sekundärsystem zu einem arbeitsfähigen Ganzen zusammenfaßte. Daher konnten bereits ab dem 06.09.2010 wieder Meßdaten des Gradiometers empfangen werden. Drei Wochen später war die exakte Umlaufbahn auf 10 m genau wieder erreicht und das reguläre Meßprogramm konnte neu aufgenommen werden. Statt für die geplanten zwanzig Monate lieferte GOCE schließlich mehr als viereinhalb Jahre lang aufschlußreiche Meßdaten. Mitte Oktober 2013 waren aber die Treibstoffvorräte aufgebraucht, so daß die ohnehin schon tiefe Bahn rasch abzusinken begann. Seine schlanke Form erlaubte es dem Satelliten, den zunehmenden aerodynamischen Belastungen erstaunlich lange zu widerstehen. Am 10.11.2013 konnten aus einer Bahnhöhe von weniger als 120 km noch letzte Telemetriedaten empfangen werden. Die Temperatur des Bordcomputers lag bei 80 °C, die der Pufferbatterien sogar bei 84 °C! Nur wenige andere spezialisierte Satelliten zuvor hatten aus einer solchen Höhe Daten übertragen. Am 11.11.2013 gegen 00:16 UTC verglühte GOCE schließlich in etwa 80 km Höhe in der Nähe der Falkland Inseln.