Address:
Start der „Atlantis“ zur STS-125 Mission
der abgetrennte Außentank der „Atlantis“
Andrew Feustel während der ersten EVA
Michael Massimino in der Nutzlastbucht der „Atlantis“ während der zweiten EVA
Andrew Feustel mit dem ausgebauten COSTAR
Doppelportrait von Megan McArthur und Michael Massimino
das wieder ausgesetzte Hubble Space Telescope
John Grunsfeld beim fotografieren
STS-125 Post Flight Presentation
das HST kurz vor dem Einfangen
Landung der „Atlantis“ auf der EAFB

Heftig umstritten war die fünfte Wartungsmission eines US Space Shuttle zum Hubble Space Telescope. Bereits beim Entwurf des Milliarden Dollar teuren Weltraumteleskops in den 1980er Jahren hatte man die Servicemöglichkeit durch das Shuttle fest einkalkuliert. Schließlich sollte das HST solange wie möglich eine maximale wissenschaftliche Ausbeute liefern. Dieses Konzept bewährte sich bereits, als bei der Inbetriebnahme des HST ein Fertigungsfehler am Hauptspiegel entdeckt wurde, der die Installation einer Korrekturoptik erforderlich machte. Das wurde im Dezember 1993 bei einer ersten Wartungsmission (SM 1) erfolgreich praktiziert. Weitere Servicemissionen folgten im Februar 1997 (SM 2), Dezember 1999 (SM 3 A) und März 2002 (SM 3 B). Eine fünfte Mission (SM 4) war für das Jahr 2004 geplant. Doch dann zerbrach am 01.02.2003 das Space Shuttle „Columbia“ bei der Rückkehr von einer Routinemission in der Atmosphäre. Alle sieben Astronauten an Bord kamen um. Bis zur Klärung der Umstände dieses Unglücks wurden zunächst alle weiteren Shuttle-​Flüge ausgesetzt. Als nach kontroversen Diskussionen die Flüge im Juli 2005 wieder aufgenommen wurden, geschah dies unter der Maßgabe, nur noch Shuttle-​Missionen zur ISS zu unternehmen, um im Falle von Beschädigungen am Hitzeschild einen „Rettungshafen“ zur Verfügung zu haben. Solo-​Flüge im Dienste der Forschung oder eben auch zur Wartung des HST wurden vom NASA Management untersagt. Nach Bekanntgabe dieser Entscheidung regte sich aber Widerstand. Sowohl Wissenschaftler als auch Astronauten machten sich für die Durchführung einer letzten Wartungsmission zu Hubble stark. Schließlich wurde diese unter der Maßgabe genehmigt, daß in Cape Canaveral ein zweites Shuttle für eine Rettungsmission startbereit stehen mußte. Verschiebungen im Shuttle-​Flugplan hatten die STS-​125  Mission zum HST immer wieder verzögert. Zuletzt war es beim Start der STS-​124  Mission auch noch zu starken Beschädigungen am Startkomplex gekommen, die zunächst repariert und deren Ursachen analysiert werden mußten. Schließlich stand die SM 4 Mission aber für Mitte Oktober 2008 im Manifest. Doch dann, Ende September 2008, fiel der primäre Science Instrument Command and Data Handler (SIC&DH) des HST aus. Es gelang nicht, das System wieder online zu bekommen. Und so entschied man, auf die Backup-​Komponente umzuschalten, die jedoch seit den Vorstart-​Prüfungen 1990 nie wieder aktiviert worden war. Daher schien es fraglich, ob sie tatsächlich funktionieren würde. Und selbst wenn. Die NASA wollte das Schicksal des HST nicht dieser Baugruppe anvertrauen. Denn der SIC&DH war für das Zwischenspeichern und Senden der wissenschaftlichen Daten zur Erde verantwortlich. Der Start der „Atlantis“ wurde daher aufgeschoben, bis eine Ersatzbaugruppe flugqualifiziert war. Das würde frühestens im April 2009 der Fall sein. Daher wurde die „Atlantis“ entladen, enttankt und ins VAB zurückgerollt. Stattdessen wurde jetzt die „Endeavour“ auf die STS-​126  Mission umgerüstet und am 26.11.2008 gestartet. Die Zwangspause wurde genutzt, um die „Atlantis“ einer Wartung (Orbiter Major Down Period) zu unterziehen. Ab Anfang 2009 wurde der Stack aus Feststoffboostern und Außentank in Cape Canaveral neu errichtet. Beim Aufsetzen des Orbiters fiel ein Stück Hardware herunter und beschädigte den Hitzeschild. Daraufhin mußte die „Atlantis“ wieder ins VAB überführt werden, wo der Schaden ausgebessert wurde. Am 31.03.2009 kehrte die „Atlantis“ zum LC-​39 A zurück. Der Start zur STS-​125  „Atlantis“ F-​30  Mission erfolgte schließlich pünktlich am 11.05.2009 um 18:02 UTC. Währenddessen stand auf LC-​39 B die „Endeavour“ bereit, notfalls binnen weniger Tage für die STS-​400  Rettungsmission startklar gemacht zu werden. Doch schon die Auswertung der ersten Videobilder zeigte, daß beim Aufstieg wohl lediglich ein etwas größeres Teil den Hitzeschild getroffen hatte. Kurzzeitig für Aufregung sorgten die fehlerhaften Sensordaten von einem der drei SSMEs, die aber umgehend als solche erkannt wurden. Nach dem Erreichen der Umlaufbahn und dem Öffnen der Nutzlastbucht wurde eine erste Begutachtung des Zustandes des Hitzeschildes unternommen. Am 12.05.2009 wurde die Inspektion unter Verwendung des Orbiter Boom Sensor System (OBSS) fortgesetzt und intensiviert. Dabei wurden leichte Oberflächenschäden am Übergang vom Rumpf zu einem der Flügel festgestellt, die aber als unkritisch eingeschätzt wurden. Daher erhielt die Crew, Kommandant Scott Altman, Pilot Gregory Johnson und die Missionspezialisten Michael Good, Megan McArthur, John Grunsfeld, Michael Massimino sowie Andrew Feustel die Freigabe, sich auf das Rendezvous mit dem HST vorzubereiten. Kommandant Altman persönlich steuerte am 13.05.2009 das Rendezvous mit dem in rund 545 km Höhe kreisenden HST. Das Einfangen mit dem Manipulatorarm durch Missionsspezialistin McArthur verzögerte sich dabei um rund 20 Minuten, da das HST zunächst nicht auf Kommandos zur Ausrichtung reagierte. Doch schließlich war das Teleskop sicher auf der dreh– und schwenkbaren Serviceplattform in der Nutzlastbucht der „Atlantis“ verstaut. Nach einer ersten visuellen Inspektion des HST begannen die Vorbereitungen auf das erste Außenbordmanöver. Am 14.05.2009 um 12:52 UTC stiegen Grunsfeld und Feustel durch die Luftschleuse des Orbiters in die Nutzlastbucht aus. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die 1993 installierte Wide Field and Planetary Camera 2  durch das verbesserte WFC 3 Modell zu ersetzen. Das war insofern eine der leichteren Aufgaben, als die WFC von jeher zum Austausch vorgesehen war. Entsprechend servicefreundlich waren die Befestigungen ausgelegt. Dennoch wäre der Austausch beinahe gescheitert, als es Feustel nicht gelang, einige der Bolzen zu lösen. Auch der Einsatz eines speziellen Drehmomentenschlüssels brachte ihn nicht weiter. Im Kontrollzentrum in Houston fürchtete man vor allem, daß einer der Bolzen abbrechen würde. Dabei wäre einerseits der Astronaut gefährdet gewesen und andererseits die letzte Chance vertan, die Kamera auszutauschen. Dennoch genehmigte man Feustel schließlich, auf den Drehmomentenbegrenzer zu verzichten und den Kraftaufwand nach eigenem Ermessen zu dosieren. Das führte zum Erfolg. Die neue WFC, die einen größeren Spektralbereich bei besserer Qualität der Aufnahmen abdeckte, konnte eingesetzt werden. Als nächstes wurde die SIC&DH ausgetauscht, deren Defekt im Herbst 2008 einen Aufschub der Mission erzwungen hatte. Schließlich wurde noch der neue Soft-​Capture Mechanism (SCM) montiert, der einmal in der Zukunft das Andocken eines unbemannten Raumschiffs erlauben sollte, welches Hubble dann sicher aus dem Orbit befördern sollte. Denn eine weitere bemannte Shuttle Mission zum HST würde es definitiv nicht geben. Nachdem noch einige vorbereitende Maßnahmen für die nächsten EVAs abgeschlossen waren, kehrten die beiden Astronauten in die Luftschleuse zurück. Mit 7:20 h hatte die erste EVA über eine Stunde länger gedauert als veranschlagt. Aber sie war erfolgreich verlaufen! Schwerpunkt der zweiten EVA am 15.05.2009 ab 12:49 UTC war der Austausch der sechs Kreisel zur Ausrichtung des Teleskops. Jeweils zwei von ihnen waren zu einer Rate Sensing Unit zusammengefaßt. Während die erste Einheit, RSU 2, problemlos ausgetauscht werden konnte, ließ sich die nächste, RSU 3 nicht in die Führungen einsetzen. Daraufhin wurde beschlossen, stattdessen die RSU 1 in den Schacht von RSU 3 einzusetzen. Die Hoffnung, die RSU 3 nun in den Schacht von RSU 1 einsetzen zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Die einwandfreie Funktion der Kreisel war jedoch entscheidend für die Zukunft der Mission. Aktuell waren drei ausgefallen, einer nach Problemen im elektrischen System abgeschaltet und die verbliebenen zwei zeigten deutlich Alterungserscheinungen. Daher entschied man sich, eine mitgeführte Reserve-​RSU zum Einsatz zu bringen. Zwar handelte es sich dabei um keine neue Komponente, sondern um eine wiederaufgearbeitete RSU, die bei der SM 3 A Mission ausgebaut worden war. Doch das war immer noch besser als der jetzige Zustand. Und tatsächlich ließ sie sich problemlos einsetzen. Die Schwierigkeiten beim Austausch der RMUs hatten Massimino und Good rund zwei Stunden hinter den ursprünglichen Zeitplan zurückfallen lassen. Ebenso wie das Kontrollzentrum entschieden sie sich aber für eine Fortsetzung der Arbeiten. Jedoch wurde Massimino angewiesen, die Sauerstoffvorräte seines Raumanzugs in der Luftschleuse aufzufüllen. Danach tauschten sie einen der großen Batterie-​Packs des HST in Bucht 2 des Teleskops aus. Nach 7:56 h konnte auch diese EVA erfolgreich abgeschlossen werden. Aus Houston traf unterdessen die Nachricht ein, daß nicht nur alle bisher vorgenommenen Arbeiten am HST offenbar erfolgreich verlaufen waren, auch die Schäden am Hitzeschild des Orbiters waren nun endgültig als unkritisch bewertet worden. Die dritte EVA am 16.05.2009 unternahmen ab 13:35 UTC wieder Grunsfeld und Feustel. Sie demontierten zunächst das nicht mehr benötigte berühmte Corrective Optics Space Telescope Axial Replacement (COSTAR), das einst im Jahr 1993 die Mission des HST gerettet hatte. Mit dem Cosmic Origins Spectrograph (COS) wurde stattdessen ein vollkommen neues Instrument eingebaut. Es erweiterte die Beobachtungsmöglichkeiten des HST im UV-​Bereich signifikant. Während hierbei alle Anschlüsse vergleichsweise einfach erreichbar waren, galt das bei nachfolgenden Reparatur der Advanced Camera for Surveys (ACS) in keinster Weise. Die Kamera, die die Mehrzahl jener faszinierenden Aufnahmen geliefert hatte, die Hubble so berühmt gemacht hatten, war Anfang 2007 nach einem Kurzschluß ausgefallen. Allein um die Zugangsluke zur ACS Elektronik zu öffnen, mußten 32 winzige Schrauben entfernt werden. Die Experten in Houston hatten dafür extra Werkzeug entwickelt. Jetzt mußten Grunsfeld und Feustel in der Praxis umsetzen, was sie monatelang immer wieder trainiert hatten. Das Manöver verlief zur Erleichterung aller wie im Wassertank von Houston. Damit konnten vier Elektronikeinheiten und eine neue Stromversorgung eingebaut werden. Das als das schwierigste Außenbordmanöver der Mission angesehene Unternehmen konnte nach 6:36 h zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden. Den Höhepunkt an Filigranarbeit hatten da die beiden Astronauten Massimino und Good noch vor sich. Sie stiegen am 17.05.2009 um 13:45 UTC in die Nutzlastbucht aus. Ihre Aufgabe war die Reparatur des STIS (Space Telescope Imaging Spectrograph). Wie die ACS war dieser nicht für eine Reparatur ausgelegt worden. Daher mußten diesmal sage und schreibe 111 Schrauben der Verkleidung gelöst werden. In Houston war extra eine Auffangvorrichtung entwickelt worden, die verhindern sollte, daß die Schrauben ins All entschwebten. Das intensive Training der Astronauten und ihre enge Zusammenarbeit mit den Ingenieuren bei der Entwicklung der Spezialausrüstung machte sich nun bezahlt. Unerwartete Probleme bereitete hingegen ein Handgriff, der sich wegen eines ausgeschlagenen Schraubenkopfes nicht lösen ließ. Er blockierte jedoch den Zugang zum STIS. Schließlich erhielt Massimino die Anweisung, den Handgriff abzubrechen. Das war riskant, konnten dabei doch scharfe Kanten entstehen, die geeignet waren, einen Raumanzug aufzureißen. Dann versagte auch noch die Batterie in einem der Akkuschrauber. Massimino wurde in die Luftschleuse zurückbeordert, um dort Ersatz zu holen und seinen Sauerstoffvorrat aufzufüllen. Schließlich war der Austausch des STIS vollzogen. Für die geplanten Restarbeiten blieb aber keine Zeit mehr. Mit 8:02 h war diese EVA ohnehin die bis dahin sechstlängste der Raumfahrtgeschichte. Dafür arbeiteten sich Grunsfeld und Feustel am 18.05.2009 ab 12:20 UTC unerwartet schnell durch ihre Aufgabenliste. Sie tauschten die zweite Batterie-​Einheit in Bucht 3 aus und ersetzten einen Fine Guidance Sensor (FGS) zur Feinausrichtung des Teleskops. Dabei erarbeiteten sie sich einen komfortablen Zeitvorsprung, der es ihnen ermöglichte, sich der Anbringung der New Outer Blanket Layers (NOBLs) zu widmen. Diese Thermoisolierungen schützten die Nutzlastbuchten 5, 7 und 8 des Teleskops, deren Originalverkleidungen besonders stark gealtert waren. Ursprünglich sollten Grunsfeld und Feustel nur einen NOBL anbringen. Die Montage des zweiten hatten sie von Massimino und Good übernommen. Und da es die Zeit zuließ, brachten sie auch noch einen dritten an. Die letzte EVA wurde nach 7:02 h beendet. Am 19.05.2009 setzte Missionsspezialistin McArthur das generalüberholte HST mit dem Manipulatorarm des Shuttle wieder aus. Rund eine halbe Stunde später manövrierte die „Atlantis“ vorsichtig von Hubble weg. Es folgte eine erneute gründliche Inspektion des Hitzeschildes mit dem OBSS. Nach den Strapazen der letzten Tage war der nächste Flugtag arbeitsfrei, bevor am 21.05.2009 mit den Vorbereitungen auf die Landung begonnen wurde. Doch am 22.05.2009, die Ladebuchttüren waren bereits geschlossen, erzwang das schlechte Wetter in Florida eine Missionsverlängerung um einen weiteren Tag. Da die Prognosen auch für den 23.05.2009 nicht vielversprechend waren, wurde nun auch die Edwards AFB in Bereitschaft versetzt. Doch obwohl am nächsten Tag das Wetter wieder keine Landung in Florida möglich machte, scheute die NASA die Mehrkosten von rund 2 Mio. $, die aus einer Landung in Kalifornien resultierten und entschied sich für eine nochmalige Missionsverlängerung. Das nützte aber alles nichts. Auch am 24.05.2009 war in Florida keine Landung möglich. Also erhielt die „Atlantis“ Instruktionen für eine Landung auf der Edwards AFB. Hier setzte der Orbiter am 24.05.2009 um 15:39 UTC nach einem Flug von 309:37 h auf Runway 22 auf. Die letzte Solo-​Mission eines Space Shuttle hatte nochmals eindrucksvoll die einzigartigen Möglichkeiten dieses großartigen Fluggeräts unterstrichen.