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Weltraumteleskop Herschel
Weltraumteleskop Planck

Eine einmalige astronomische Doppelmission begann am 14.05.2009 mit dem Start einer Ariane-5ECA von Kourou in Französisch Guyana. Die Rakete transportierte diesmal nicht wie gewohnt zwei Kommunikationssatelliten. Vielmehr hatte sie das Infrarot-​Teleskop „Herschel“ und den Detektor-​Satelliten „Planck“ an Bord. Und deren Bahn verlief auch nicht in 36.000 km Höhe über der Erdoberfläche. Denn für ungestörte astronomische Beobachtungen hatten die Wissenschaftler eine Positionierung im sogenannten L Punkt des Sonne-​Erde-​Systems vorgesehen.
Die Herschel Mission ging auf einen Vorschlag aus dem Jahr 1982 zurück. Damals trug das Projekt den Titel Far Infrared and Submillimeter Telescope (FIRST). 1984 wurde es als eine der Cornerstone-​Missionen der ESA ausgewählt. Zu dieser Zeit hatte die Erforschung des Universums im Infrarot-​Bereich gerade erst begonnen. Der amerikanisch-​niederländische Satellit IRAS leistete Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Weitere Meilensteine der Infrarot-​Astronomie waren die Teleskope ISO (ESA), Spitzer (NASA) und „Akari“ (JAXA). Alle diese Satelliten litten konstruktiv bedingt unter einem Defizit. Da sie zur Tiefstkühlung des Teleskops auf einen Kryostaten angewiesen waren, begrenzte dies ihren Spiegeldurchmesser auf 60 bis 85 cm. Das ließ aber nur eine vergleichsweise bescheidene räumliche Auflösung zu. Konstruktiv und missionsplanerisch ging man bei FIRST daher neue Wege. Die Stationierung im L Punkt garantierte konstante thermischen Verhaltnisse bezüglich Sonne und Erde. Außerdem bot diese Bahn optimale Beobachtungsmöglichkeiten ohne bahnmechanisch bedingte Unterbrechungen. Mit einem Durchmesser von 3,5 m war der Hauptspiegel des Satelliten der größte je für ein Weltraumteleskop gebaute. Möglich wurde ein derart großer Spiegel nur durch den Einsatz von Siliziumkarbid als leichter selbsttragender Trägerstruktur. Der gesamte Spiegel wog schließlich nur 300 kg. Da ein derart großes Teleskop nicht vollständig kryogen gekühlt werden konnte, wählte man einen anderen Ansatz. Das Teleskop wurde lediglich mit einem Schild von der Sonnenstrahlung abgeschirmt. Die Wärmeabstrahlung in den Weltraum reichte, um das Teleskop immerhin auf unter 90 K zu kühlen. An das Ritchey-​Chrétien Teleskop waren drei Instrumente gekoppelt: HIFI (Heterodyne Instrument for Herschel) — ein hochauflösendes Heterodyn-​Spektrometer, PACS (Photoconductor Array Camera and Spectrometer) — eine photometrische und spektroskopische Kamera und SPIRE (Spectral and Photometric Imaging Receiver) — eine photometrische Kamera mit Fourier-​Spektrometer. Um die notwendige Empfindlichkeit der Instrumente zu erreichen, mußten diese auf 1,6 K (PACS) bzw. sogar 0,3 K (HIFI und SPIRE) herunter gekühlt werden. Während das superflussige Helium im Kryostaten die Temperatur für das PACS noch weit genug absenken konnte, mußte für die anderen Instrumente jeweils ein hochspezieller He-​Kühler eingesetzt werden. Alle diese technischen Höchstleistungen ermöglichten nicht nur eine bis dahin unerreichte Präzision und Empfindlichkeit bei der Beobachtung von Infrarot-​Strahlungsquellen. Auch der abgedeckte Spektralbereich (57 bis 670 µm) stellte neue Rekorde auf, umfaßte er doch das gesamte Band vom fernen Infrarot bis hin zu den Submillimeterwellen. Am 14.06.2009, Herschel war ungefähr 1.425.000 km von der Erde entfernt, wurde die Kryo-​Abdeckung über dem Teleskop abgeworfen. Die Instrumente lieferten unmittelbar im Anschluß die ersten wissenschaftlichen Daten. Und bereits sie zeigten die überlegene Qualität der Aufnahmen im Vergleich zu denen aller früheren Infrarot-​Teleskope. Die sehr erfolgreiche Mission von Herschel ging am 29.02.2013 unwiderruflich zu Ende, als die Helium-​Reserven aufgebraucht und sich das System soweit erwärmt hatte, daß keine sinnvollen Beobachtungen mehr möglich waren. Bis dahin waren aber neue Maßstäbe gesetzt worden. Nachdem Herschel noch auf einen heliozentrischen Orbit manövriert worden war, wurden die Prozeduren für eine sichere Deaktivierung seiner Bordsysteme abgearbeitet und am 17.06.2013 die Kommunikation eingestellt.
Zweiter Passagier der Ariane V188 war die Sonde Planck. Diese ging auf einen Entwurf aus dem Jahr 1994 zurück, der damals unter dem Namen COBRAS/SAMBA (Cosmic Background Radiation Anisotropy Satellite / Satellite for Measurement of Background Anisotropies) diskutiert wurde. Ziel der ESA Mission war die Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Um wie geplant minimalste Temperaturfluktuationen der Hintergrundstrahlung im Bereich von einem Millionstel Grad registrieren zu können, mußte sein Teleskop noch extremer gekühlt werden, als die Instrumente von Herschel. Das 1,5 m Teleskop erlaubte zudem eine räumliche Auflösung einzelner Objekte von fünf Bogenminuten. Bereits der konstruktive Aufbau von Planck erlaubte eine passive Kühlung auf etwa 50 K. Das High Frequency Instrument (HFI) für den Radiowellenbereich und das Low Frequency Instrument (LFI) für den Mikrowellenbereich mußten jedoch weitaus tiefer gekühlt werden. Dazu verfügte Planck über mehrere Kryosysteme. Mit flüssigem Wasserstoff wurde die Temperatur auf 20 K abgesenkt, während der zweite Kühlkreislauf mit flüssigem Helium die Temperatur auf 4 K brachte. Mit normalen Mitteln war eine Kühlung unter die Siedetemperatur von Helium nicht möglich. Dennoch brachte dieses Kunststück der dritte Kühlkreislauf fertig. Die Trennung in superfluides He und He ließ eine weitere Absenkung der Instrumententemperatur auf 0,1 K zu. Mit –273,05 °C wurde Planck derart zum kältesten Objekt im Universum. Am 05.07.2009 wurde das mehrere Stunden dauernde Bahnmanöver eingeleitet, das Planck auf eine Bahn im zweiten Lagrange Punkt beförderte. Damit waren die Voraussetzungen für die Aufnahme des wissenschaftlichen Programms geschaffen. Bis zum 13.08.2009 war die Kalibrierung der Instrumente abgeschlossen und mit der ersten (von vier geplanten) vollständigen Aufnahmen des Himmels wurde begonnen. Obwohl man damit gerechnet hatte, die extreme Tiefkühlung für mindestens fünfzehn Monate aufrechterhalten zu können, gelang es schließlich, die wissenschaftlichen Forschungen sogar bis zum Oktober 2013 auszudehnen. Allerdings waren bereits im Januar 2012 die Heliumvorräte des HFI aufgebraucht gewesen, so daß dieses Instrument keine brauchbaren Daten mehr liefern konnte. Das LFI konnte aber noch bis zum 03.10.2013 genutzt werden. Am 09.10.2013 verließ dann auch Planck den L Punkt und wurde in einen heliozentrischen Orbit überführt. Am 19.10.2013 wurde die wissenschaftliche Ausrüstung deaktiviert, zwei Tage später der Resttreibstoff verbraucht. Schließlich wurde am 23.10.2013 auch noch das Kommando zur Abschaltung des Senders übertragen.