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künstlerische Darstellung von „Akatsuki“ über der Venusoberfläche
künstlerische Darstellung von IKAROS
sensationelles Selbstportrait von IKAROS mit der Venus im Hintergrund
Negai-Star
Waseda SAT 2
UNITEC 1

Nach einer Verschiebung um zwei Tage aufgrund von über Tanegashima aufziehenden Eiswolken hob die H-IIA Mod. 202 Rakete mit der Venus Sonde „Akatsuki“ am 20.05.2010 doch noch sicher ab. Neben der Sonde (Projektbezeichnung Planet-​C) transportierte die Rakete noch fünf weitere kleinere Nutzlasten. Die bedeutendste von ihnen war das Sonnensegel-​Experiment IKAROS (Interplanetary Kite-​craft Accelerated by Radiation of the Sun). Die JAXA untersuchte schon seit längerem die Nutzung von Sonnensegeln zum Antrieb interplanetarer Sonden. Bisher waren die Vorversuche aber nicht vollständig erfolgreich verlaufen. Die IKAROS Mission stellte nun den ersten japanischen Versuch dar, diese Technik in größerem Maßstab praktisch zu testen. Die ca. 315 kg schwere Sonde entfaltete nach dem Aussetzen ein 14×14 m großes extrem dünnes (0,0075 mm) Sonnensegel, dessen Oberfläche dennoch mit Solarzellen besetzt war. Die JAXA hoffte, mit IKAROS nicht nur die verwirklichten technologischen Lösungen testen, sondern auch über einen Zeitraum von sechs Monaten eine signifikante Beschleunigung nachweisen und Bahnmanöver demonstrieren zu können. Die Mission verlief tatsächlich sehr erfolgreich. Die Steuerung des Sonnensegels konnte erprobt werden und entsprach den zuvor angestellten Berechnungen. Beeindruckend waren die Bilder von zwei Miniaturkameras, die am 14.06.2010 bzw. 19.06.2010 ausgesetzt worden waren und Aufnahmen von dem entfalteten Sonnensegel und der Arbeit der Steuerflächen übertrugen. Am 08.12.2010 passierte IKAROS die Venus im Abstand von etwa 80.000 km und übertrug dabei ein Bild, das die Sonde vor der Venus zeigte. Die Übermittlung der lediglich briefmarkengroßen Aufnahme nahm geschlagene zwei Wochen in Anspruch! Bis zum 24.12.2011 konnte der Funkkontakt zu IKAROS aufrechterhalten werden. Damit übertraf die Mission alle Erwartungen. Und obwohl angenommen wurde, daß im Winter 2011/12 auch der Lageregelungstreibstoff aufgebraucht sein würde, hoffte die JAXA darauf, im Frühjahr 2012 dank eines günstigeren Winkels zur Sonne nochmals genug Energie zur Aktivierung der Sender generieren zu können. Tatsächlich konnte am 06.09.2012 ein schwaches Signal von IKAROS empfangen werden. Nach einer erneuten Hibernation-​Phase gelang es am 22.05.2014 sogar über eine Distanz von 230 Mio. km einen Kontakt aufzubauen. Am 23.04.2015 wiederholte sich das Szenario. IKAROS umkreiste nun die Sonne alle zehn Monate, wobei jeweils sieben Monate die Energiebilanz einen Betrieb der Instrumente unmöglich machte. Noch eine dritte Nutzlast gelangte bei dem Start auf eine interplanetare Bahn. UNITEC 1 stammte vom University Space Engineering Consortium (UNISEC). Studenten von über 20 verschiedenen Universitäten hatten sich an der Entwicklung des auf den Namen „Shinen“ getauften Raumflugkörpers beteiligt, dessen Ziel es war, in einem Wettbewerb zu ermitteln, wessen Kommunikationsausrüstung am längsten brauchbare (Amateurfunk-)Signale zur Erde übermitteln konnte. Tatsächlich konnten jedoch überhaupt nur beim ersten Überflug Japans Telemetriedaten des Satelliten empfangen werden. Und bereits diese wiesen eine extreme Frequenzinstabilität auf, so daß eine Dekodierung unmöglich war. Alle späteren Kontaktversuche blieben erfolglos. Neben diesen drei interplanetaren Flugkörpern wurden noch drei kleine Satelliten von der Oberstufe der H-​IIA im Erdorbit ausgesetzt. Von der Waseda University stammte Waseda SAT 2. Dieser Cubesat sollte einerseits Bildaufnahmeexperimenten dienen und andererseits die Lagestabilisierung durch vier unabhängig ausklappbare Solarzellenflächen erproben. Vor allem handelte es sich aber um ein typisches studentisches Trainingsprogramm. Insofern war es zwar bedauerlich, kam aber nicht vollkommen überraschend, daß nach dem Start kein Kontakt zu dem Satelliten hergestellt werden konnte. Das traf leider auch auf „Hayato“ (Projektbezeichnung KSAT) von der Kagoshima University zu. Realisiert werden sollten mit diesem Satelliten eigentlich drei Experimente. So sollte „Hayato“ die Wasserdampfverteilung in der Atmosphäre beobachten und damit der Vorhersage von Starkregen dienen. Dann war die Übertragung von Videobildern aus dem Orbit geplant. Schließlich standen auch noch Kommunikationsexperimente auf dem Plan. Erfolgreicher war Negai☆, ein CubeSat Projekt der Soka University. Seine Aufgabenstellung unterschied zwei grundsätzliche Richtungen. Aus Sicht der Ingenieure war vor allem die Erprobung eines hochmodernen Informationsverarbeitungssystems relevant. Daneben hatte der Satellit aber auch auf Mikrofilm die Namen von Kindern und ihre Wünsche und Träume an Bord. Die Teilnehmer konnten ihre Botschaften im Rahmen einer großangelegten Öffentlichkeitskampagne vor dem Start übermitteln. Sie erhielten später eine Art Zertifikat mit einem Foto, das die Kamera des Satelliten aufgenommen hatte.
Die Hauptnutzlast der Rakete war aber natürlich der Venus Climate Orbiter (VCO) „Akatsuki“. Im Vergleich zu früheren Venus Sonden hatte diese eine andere, eng abgegrenzte, Aufgabenstellung. Der Schwerpunkt lag klar bei der Erforschung atmosphärischer Phänomene, so der verschiedenen großräumigen atmosphärischen Strömungen, von Gewittern und bei der Suche nach aktivem Vulkanismus. Dazu verfügte „Akatsuki“ über verschiedene Kameras für den IR-​Bereich, das langwellige Infrarot und den UV-​Bereich. Die Lightening and Airglow Camera (LAC) wurde dagegen speziell für die Suche nach Blitzen mitgeführt. Nach einem etwas über 6-​monatigen Flug erreichte „Akatsuki“ die Venus. Das kritische Bremsmanöver wurde am 07.12.2010 eingeleitet. Insgesamt zwölf Minuten sollte das OME (Orbital Maneuvering Engine) Triebwerk brennen, um die Sonde in einen Venusorbit einzubremsen. Doch nach dem erwarteten Blackout konnte zunächst kein Funkkontakt wiederhergestellt werden. Es vergingen fast neunzig Minuten mehr als berechnet, bis schwache Signale aufgefangen werden konnten. Und diese bestätigten leider, daß sich „Akatsuki“ in einen Sicherheitsmodus begeben hatte und der Einschuß in den Orbit mißlungen war. Statt im Januar 2011 mit den regulären Messungen zu beginnen, mußten die JAXA Experten nun sehen, ob die Mission bis zu einem erneuten Rendezvous mit der Venus im Dezember 2016/Januar 2017 fortgesetzt werden konnte. Denn nach der nach zwei bis drei Minuten vom Bordcomputer abgebrochenen Triebwerkszündung konnte die Venus nicht früher wieder erreicht werden. Alternativ wurden Überlegungen angestellt, mit „Akatsuki“ einige venusnahe Asteroiden zu erforschen. Grundsätzlich standen die Chancen aber schlecht, die wissenschaftliche Mission noch zu retten. Zumal sich später zu bestätigen schien, was die Ingenieure schon bald nach der mißglückten Triebwerkszündung angenommen hatten. Die keramische Triebwerksdüse des Haupttriebwerks war offenbar abgerissen worden, vermutlich, weil sich in einem Ventil eine Verstopfung aufgebaut hatte. Spätere Testzündungen des Triebwerks zeigten einen nur noch so geringen Schub, daß es für Bahnmanöver nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden konnte. Daraufhin wurde entschieden, 2015 einen Versuch unter Einsatz der Lageregelungstriebwerke zu unternehmen, doch noch einen Venus-​Orbit zu erreichen. Obwohl die Bahn von „Akatsuki“ nun innerhalb der Venusbahn lag, was eine außerplanmäßig hohe thermische Belastung (lokal bis zu 140 °C) mit sich brachte, mußten die Ingenieure und Wissenschaftler bis Ende 2015 bangen, ob die Mission zu retten war. Im Sommer 2015 wurde eine Serie von vorbereitenden Bahnkorrekturen unternommen. Am 06.12.2015 begann dann das kritische 20-​minütige Bremsmanöver. Tatsächlich gelang es, „Akatsuki“ in den vorgesehenen Orbit zwischen 400 und 440.000 km einschwenken zu lassen. Damit lag man bei der Apoapsis zwar weit jenseits der 80.000 km, die die Missionsplaner einst für die Auslegung der Instrumente angenommen hatten. Was natürlich (neben anderen Faktoren) die wissenschaftliche Ausbeute beeinträchtigte. Dennoch lieferte „Akatsuki“ schon bald hochwillkommene Forschungsergebnisse. Mit einer Triebwerkszündung am 04.04.2016 wurde die Bahn für die Forschungen noch einmal auf etwa 1.000×370.000 km optimiert. Am 19.07.2016 konnte die Sonde das Jubiläum des ersten Venusjahres (225 Erdtage) im Orbit des Planeten feiern. Allerdings fielen bald darauf, im Dezember 2016, die beiden Infrarot-​Kameras nach einem Elektronikdefekt aus. Die neu definierte Primärmission wurde im April 2018 abgeschlossen und danach die Forschungen in einer erweiterten Mission fortgeführt. Auch die verminderte wissenschaftliche Ausbeute rechtfertigte noch eine Fortführung bis zum (für 2021 erwarteten) Verbrauch der Treibstoffreserven.