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Start zur „Atlantis“ F-33 Mission
spektakuläres Bild vom Aufstieg der „Atlantis“
der Dockingadapter der „Atlantis“
Gruppenfoto der Mannschaften von „Atlantis“ und ISS
Ronald Garan beim Verlassen der Luftschleuse
Ronald Garan kurz vor seiner EVA
Blick über die ISS
MISSE-8
STS-135 Highlights
Blick auf die Cupola während der EVA
Canadarm mit OBSS, im Hintergrund ein Polarlicht
Blick in die Nutzlastbucht der „Atlantis“
Blick zurück auf die ISS
Augenblicke vor der Landung zum Abschluß der letzten Shuttle Mission
das Space Shuttle Programm ist Geschichte...
Markierung des Haltepunkts nach der letzten Space Shuttle Landung

Das unwiderrufliche Ende einer Ära wurde am 08.07.2011 eingeleitet, als um 15:29 UTC die Raumfähre „Atlantis“ zur Mission STS-​135  abhob. Nach dem Verlust der „Columbia“, die beim Wiedereintritt in die Atmosphäre zerbrochen und verglüht war, hatte das NASA Management entschieden, das Space Shuttle Programm aufgrund der nicht lösbaren grundsätzlichen Sicherheitsprobleme baldmöglichst einzustellen. Aufgrund der Verpflichtungen im Rahmen der Verträge zum Aufbau der Internationalen Raumstation mußten aber noch eine Reihe von Aufbau– und Logistikflügen zur ISS unternommen werden. Alle anderen Missionen, bei denen die ISS einer im All „gestrandeten“ Shuttle Crew nicht als sicherer „Hafen“ zur Verfügung stand, wurden gestrichen (lediglich eine Ausnahme wurde später für die letzte Wartungsmission zum HST zugelassen). Eigentlich wurde der letzte Start eines Space Shuttle somit für das Jahr 2010 erwartet. Verzögerungen im Startkalender verschoben diesen Termin aber auf Anfang 2011. Zudem hatte ein für das NASA-​Budget zuständiges Komitee unter Vorsitz von Senator William Nelson, der selbst 1986 mit der „Columbia“ ins All geflogen war, im Juli 2010 auf eine weitere Shuttle Mission gedrängt. Der Gedanke dahinter war, daß bisher stets ein Shuttle am Boden für eine eventuelle Rettungsmission bereitgehalten worden war. Orbiter, Außentank und Booster für einen allerletzten Start waren also in Florida vorhanden. Allerdings mußte für diese Mission natürlich ein alternatives Rettungsszenario erarbeitet werden. Daher wurde die Crew auf vier Astronauten reduziert, die man notfalls auch einzeln im Verlaufe eines Jahres mit Sojus-​Raumschiffen von der ISS evakuieren konnte. Im Spätsommer 2010 wurden die NASA Pläne akzeptiert und im Herbst auch die Gelder bewilligt. Nach der Rückkehr der „Endeavour“ von ihrem letzten Einsatz wurde die „Atlantis“ von der STS-​335  Rettungsmisison auf die STS-​135  Mission umgerüstet. Klassifiziert war der Flug als Logistikmission (ISS-​ULF5 ). Und so wurde die letzte Gelegenheit genutzt, die Raumstation mit einer großen Menge an Ersatzteilen und Versorgungsgütern zu beschicken. In der Nutzlastbucht wurden dazu das Multi-​Purpose Logistics Module (MPLM) „Raffaello“ und ein Lightweight Multi-​Purpose Carrier untergebracht. Im Gegensatz zu früheren Einsätzen des MPLM wurde dessen Fähigkeit zum Transport sperriger Nutzlasten diesmal nicht genutzt. Vielmehr wurde es mit der Höchstzahl von sechzehn Resupply Racks bestückt. Dazu kamen acht Resupply Stowage Platforms (RSPs), zwei International Standard Payload Racks (ISPs), sechs Resupply Stowage Racks (RSRs) und ein Zero-​G Stowage Rack (ZSR). Damit war das Stauvolumen optimal genutzt. Der LMC hingegen sicherte auf dem Weg zur ISS das Robotic Refueling Mission Experiment. Dieses stammte vom Goddard Space Flight Center und sollte helfen, robotische Technologien zur Betankung von Satelliten im Orbit zu erproben. Dazu sollte die RRM an einem der ExPRESS Logistic Carrier der ISS fixiert werden. Für 2012/13 waren dann die Betankungsexperimente mit dem kanadischen Dextre Manipulator geplant. Auf dem Rückweg zur Erde sollte der LMC die im August 2010 ausgetauschte Ammoniak-​Pumpe des Kühlsystems aufnehmen. Die Ingenieure wollten die Ursache für ihr vorzeitiges Versagen ermitteln. Unter großer öffentlicher Anteilnahme startete die „Atlantis“ F-​33  schließlich pünktlich und beim ersten Versuch am 08.07.2011 von Pad-​39 A des Kennedy Space Center, wo mehr als dreißig Jahre zuvor auch die erste Space Shuttle Mission begonnen hatte. Auf knapp eine Million Zuschauer wurde die Menschenmenge rund um das KSC geschätzt. Ohne Zwischenfälle verlief der Aufstieg der „Atlantis“. Dabei sollte der einmalige Versuch unternommen werden, mit einer Kamera am Außentank Bilder bis zu seiner Zerstörung in der Atmosphäre aufzunehmen und per Satellit zu übermitteln. Tatsächlich konnte umfangreiches Videomaterial gewonnen werden. Nachdem der Orbiter einen vorläufigen Orbit erreicht hatte, begann die Crew — Kommandant Christopher Ferguson, Pilot Douglas Hurley sowie die Missionsspezialisten Sandra Magnus und Rex Walheim — mit der Aktivierung und Überprüfung diverser zentraler Systeme des Shuttle. Die Frachttore wurden geöffnet, die Ku-​Band Antenne ausgeklappt und der Manipulatorarm aktiviert. Dieser wurde am nächsten Tag benötigt, um mit dem Orbiter Boom Sensor System (OBSS) den Hitzeschild des Orbiters zu inspizieren. Zugleich begannen die Vorbereitungen auf die Ankunft an der ISS. Trotz des Ausfalls eines der drei General Purpose Computer (GPC3) fanden Rendezvous und Docking am 10.07.2011 um 15:07 UTC nach Plan statt. 100 min später wurde der Durchstieg durch den PMA 2 (Pressurized Mating Adapter) geöffnet. Nach der Begrüßung durch die Stammbesatzung der ISS begannen die ersten gemeinsamen Aktivitäten. So wurde z.B. das OBSS vom Canadarm2 der Station übernommen. Am nächsten Tag, dem 11.07.2011, wurde das MPLM „Raffaello“ aus der Nutzlastbuch der „Atlantis“ herausgehoben und um 10:47 UTC am „Harmony“ Modul verankert. Nach den üblichen Sicherheitsüberprüfungen konnte das Frachtmodul von den Crews betreten werden. Angesichts der Fülle zu bewegender Frachtgüter und der kleineren Mannschaftsgröße gab die NASA an diesem Tag auch die Entscheidung bekannt, die Mission um einen Tag zu verlängern. Außerdem hatte die Inspektion des Hitzeschildes der „Atlantis“ nur minimale Schäden gezeigt, so daß auf eine intensivere Untersuchung verzichtet werden konnte. Der 12.07.2011 stand im Zeichen des um 13:22 UTC begonnenen Außenbordmanövers von Michael Fossum und Ronald Garan. In der Vergangenheit waren die EVAs normalerweise von Mitgliedern der Shuttle Crews unternommen worden. Angesichts der besonderen Umstände dieser Mission hatte die NASA aber entschieden, die Aufgabe diesmal der ISS Stammbesatzung zu übertragen. Fossum und Garan assistierten zunächst den Gast-​Astronauten Hurley und Magnus, die aus der Cupola den Canadarm2 bedienten, um die defekte Ammoniak-​Pumpe zum LMC in der Nutzlastbucht des Shuttle zu transferieren. Fossum fixierte sie dort. Anschließend „ritt“ Fossum mit dem Canadarm2 zum ELC 4, wo das Betankungs-​Experiment gesichert werden mußte. Dann löste er am „Sarja“ Modul ein Kabel, daß sich dort verfangen hatte und einen während der STS-​134  Mission installierten Fixpunkt für den Manipulatorarm der ISS blockierte. Garan aktivierte unterdessen MISSE 8, das Materials International Space Station Experiment, u.a. montierte er zusätzlich das ORMatE-​III Paneel (Optical Reflector Materials Experiment). Schließlich brachten die beiden Astronauten gemeinsam eine Thermoisolierung am PMA 3 des „Tranquility“ Knotens an. Nach 6:31 h war das 160. Außenbordmanöver des ISS Programms erfolgreich abgeschlossen. Die nächsten Tage wurden genutzt, um weiter Fracht aus dem MPLM um dem Zwischendeck des Orbiters in die Stauräume in den verschiedenen Modulen der ISS zu transferieren. Die Routine wurde am 14.07.2011 von einem Alarm unterbrochen, der ein Problem mit dem GPC4 signalisierte. Obwohl bereits ein weiterer General Purpose Computer beim Anflug auf die ISS ausgefallen war, wurde der Zwischenfall noch nicht als kritisch eingestuft. Am 16.07.2011 gaben die Ingenieure am Boden ihre Einschätzung bekannt, wonach ein Single Event Upset, ausgelöst womöglich von einem Koronalen Massenauswurf der Sonne, wahrscheinlichste Ursache des Problems war. Nach einigen weiteren Tests wurde der Computer wieder als voll einsatzbereit deklariert. Am nächsten Tag wurde u.a. der General Laboratory Active Cryogenic ISS Equipment Refrigerator, kurz GLACIER, aus dem Shuttle Zwischendeck zur ISS verfrachtet. Dabei handelte es sich um eine Tiefkühleinheit für wissenschaftliche Proben. Ausgetauscht wurde ein defektes Massenspektrometer im US Segment der Station. Ein bereits demontiertes Gyroskop aus dem russischen Laufband brachte man dagegen im Shuttle unter. Die russischen Ingenieure interessierten sich für das Teil ebenso wie ihre amerikanischen Kollegen für einen Common Cabin Air Assembly (CCAA) Heat Exchanger (HX), der unterdessen im MPLM verstaut worden war. Insgesamt 2.575 kg defekter und nicht mehr benötigter Ausrüstungsgegenstände, Abfälle und andere Fracht waren vor der Rückkehr zur Erde im MPLM verstaut worden. Am 18.07.2011 um 10:46 UTC wurde die Verankerung des Frachtcontainers gelöst und dieser wieder in der Nutzlastbucht der „Atlantis“ verstaut. Nach einer feierlichen und emotionalen Verabschiedung der letzten Shuttle Crew koppelte die „Atlantis“ am 19.07.2011 um 06:28 UTC von der Raumstation ab. Letzmalig umflog das Shuttle anschließend die ISS, wobei diesmal gezielt Manöver geflogen wurden, die es ermöglichten, auch Regionen der ISS zu fotografieren und zu filmen, die sonst nicht dokumentiert worden waren. Knapp zwei Stunden später setzte sich der Orbiter von der Station ab. Später an diesem Tag wurde eine finale Inspektion des Außenzustandes des Shuttle mittels des OBSS unternommen. Die dabei gewonnenen Informationen bereiteten den Weg für die Freigabe der Landung. Doch zuvor gab es noch ein letztes bedeutsames Experiment. Am 20.07.2011 wurde ein Pikosatellit aus einem Container in der Nutzlastbucht des Shuttle ausgestoßen. Das Pico-​Satellite Solar Cell (PSSC 2) Experiment sollte neuartige Solarzellen unter realen Bedingungen erproben. Außerdem war der Satellit mit mehreren Kameras ausgerüstet, die Bilder von der sich entfernenden „Atlantis“ übertragen sollten. Fotos, die das Ende einer drei Jahrzehnte dauernden Ära der bemannten Raumfahrt dokumentierten. Schließlich verfügte PSSC 2 noch über vier winzige Triebwerke, die genutzt werden sollten, um die Bahn bei Bedarf anzuheben. Offenbar wurde aber nur eine Zündung (am 04.11.2011) erfolgreich unternommen. Sie hob die Bahn geringfügig an, versetzte den Satelliten aber auch in eine Taumelbewegung. Mehrere Versuche zur Zündung der restlichen Triebwerke blieben über einen Zeitraum von anderthalb Monaten erfolglos. Am 21.07.2011 leiteten Kommandant Ferguson und Pilot Hurley schließlich die Rückkehr zur Erde ein. Pläne, die „Atlantis“ auf der Edwards AFB landen zu lassen, um sie letztmalig mit dem Shuttle Carrier Aircraft durch die USA touren zu lassen, waren aus Kostengründen fallengelassen worden. Und so steuerte der Orbiter die Runway 15 des Kennedy Space Center an. Am 21.07.2011 um 09:57 UTC setzte hier letztmalig ein Space Shuttle auf. Nach 306:28 h war die 135. und letzte Mission eines Space Shuttle zu ihrem Abschluß gekommen. Kommandant Ferguson meldete sich in diesem emotionalen Moment, Augenblicke nachdem der Orbiter zum Stillstand gekommen war, über Funk: „Mission complete, Houston, after serving the world for over 30 years, the shuttle has earned its place in history, and it has come to a final stop.“ Hunderte ehemalige Mitarbeiter des Shuttle Programms wurden Augenzeugen der Landung, tausende verfolgten die Ereignisse in den verschiedenen NASA Zentren.
Mit der Außerdienststellung des Space Transportation System ging die bemannte US Raumfahrt einer ungewissen Zukunft entgegen. Zwar hatte es bereits in den letzten fünf Jahrzehnten Pausen innerhalb und zwischen bemannten Programmen gegeben. Die längste Unterbrechung hatte 1981 mit dem Start der „Columbia“ zur STS-​1  Mission geendet. Doch erstmals existierte nun kein präziser Plan zum Fortgang der bemannten US Raumfahrt. Das „Ares“ Programm, das die NASA mit zwei neuen Raketen für bemannte Missionen jenseits des Erdorbits hatte versorgen sollen, war nach massiven Zweifeln an dem Konzept eingestellt worden. Die Versorgung der ISS sollten private Anbieter übernehmen, die ihre Fähigkeit dazu jedoch erst noch demonstrieren mußten. Und welchen Kurs die NASA in den kommenden Jahrzehnten einschlagen würde, blieb ungewiß. Zwar unterstützten die USA eine Verlängerung des Betriebes der ISS. Ob und wann wieder Flüge mit einem amerikanischen bemannten Raumschiff zu ihr unternommen werden würden, war hingegen weiterhin weitgehend ungeklärt. Missionen zu Asteroiden, zum Mond und Mars fanden sich zwar noch immer auf der NASA Agenda. Doch eine Umsetzung stand in weiter Ferne.