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Start von Radioastron
die Antenne von Radio-Astron bei einem Entfaltungstest
die Antenne von Radio-Astron in Startkonfiguration

Mit jahrelanger Verzögerung startete Rußland endlich die von Wissenschaftlern weltweit sehnsüchtig erwartete Spektr-​R bzw. Radioastron Mission. Die Idee hinter dem Projekt war der Start eines 10 m Radioteleskops auf eine sehr hochelliptische Bahn. Aus dieser sollten, koordiniert mit irdischen Radioteleskopen, VLBI (Very Long Baseline Interferometer) Messungen unternommen werden. Das ermöglichte die Untersuchung galaktischer und extragalaktischer Radioquellen mit einer Auflösung von bis zu 7 Mikrobogensekunden. Das Hubble Weltraumteleskop erreichte (im sichtbaren und infraroten Spektrum) hingegen eine Auflösung zwischen 0,05 und 0,1 Bogensekunden. Die Radioastron Beobachtungen erfolgten dabei auf vier Bereichen zwischen 1,35 und 92 cm Wellenlänge. Ursprünglich sollte Spektr-​R auf dem Prognos-​Bus basieren und auf einer Proton-K 8K82K mit Block-DM-2 11S861 gestartet werden. Dieser Entwurf scheiterte aber nicht zuletzt an den Kosten. Schließlich wich man auf den leichteren und moderneren Navigator-​Bus von NPO Lawotschkin aus, der mit einer Zenit-​2SB mit Fregat-​SB Stufe, auch als Zenit-3SLBF bezeichnet, gestartet werden konnte. Für die wissenschaftliche Ausrüstung des Satelliten und die Unterstützung beim Betrieb konnten Institute aus mehr als zwanzig Ländern gewonnen werden. So lieferte Indien mit russischer Unterstützung den 92 cm Empfänger, Australien den 18 cm Empfänger, Rußland den 6 cm Empfänger und Finnland den 1,35 cm Empfänger. Kanadische, US-​amerikanische, europäische und ukrainische Beiträge trugen ebenfalls signifikant zu dem Projekt bei. Galaxiekerne, Neutronensterne, Schwarze Löcher, Plasmawolken, Pulsare und andere Phänomene sollten während der 5-​jährigen Mission näher untersucht werden. Aber auch Teilchenströme, Magnetfelder, das irdische Gravitationsfeld und die Kosmische Strahlung standen auf der Agenda. Geschickt gewählt wurde die Umlaufbahn, die anfänglich zwischen etwa 500 und 330.000 km Erdferne verlief. Die große Nähe zum Erdmond im Apogäum sorgte dafür, daß die Bahn im Laufe der Mission deutlich variierte, was die Beobachtungsmöglichkeiten erweiterte. Nach dem erfolgreichen Start am 18.07.2011 von Baikonur wurden allmählich die Systeme des Satelliten in Betrieb genommen. Probleme bereitete dabei u.a. die Hauptantenne, nach deren Entfaltung zunächst kein Signal zum Einrasten empfangen werden konnte. Ab August 2011 gingen die ersten Instrumente in den wissenschaftlichen Regelbetrieb. Und lieferten fortan überzeugende, wenn auch wenig öffentlichkeitswirksame, Ergebnisse. Im Januar 2019 mußte die Russische Akademie der Wissenschaften allerdings bekanntgeben, daß man wenige Tage zuvor die Kontrolle über Spektr-​R verloren hatte. Zwar wurden weiter wissenschaftliche Daten und Telemetrieinformationen empfangen, doch konnten seit dem 10.01.2019 keine Kommandos mehr übermittelt werden. Tatsächlich waren im Laufe der Jahre bereits zwei der drei Kommando-​Empfänger ausgefallen. Nun wohl auch der letzte. Anfang April 2019 mußten die Rettungsbemühungen schließlich ohne Aussicht auf Erfolg eingestellt werden. In knapp siebeneinhalb Jahren (bei einer Auslegungsbetriebsdauer von fünf Jahren) hatte Spektr-​R aber außerordentlich wertvolle Daten geliefert. Leider hatte die Mission 2020 noch ein unangenehmes Nachspiel. Am 08.05.2020 zerlegte sich beim Überflug des Indischen Ozeans, scheinbar ohne äußere Einwirkung, der abwerfbare Zusatztank der neun Jahre zuvor beim Start von Spektr-​R eingesetzten Fregat Beschleunigungsstufe. Ergebnis der vermutlich durch Resttreibstoff ausgelösten Explosion waren mindestens 65 Trümmerstücke auf einer elliptischen Bahn im Höhenbereich von rund 400 bis über 3.600 km.