Address:
die startbereite PSLV-C20
Nutzlasten der PSLV-C20
Sapphire und NEOSSat in der unteren Hälfte des DLA
Sapphire und NEOSSat im DLA

Nach monatelangen Verschiebungen startete am 25.02.2013 endlich die PSLV-​CA C20 vom indischen Raumfahrtzentrum Sriharikota. Eigentlich war der Start nach vorangegangenen Verzögerungen für Dezember 2012 bekanntgegeben worden. Da die langwierigen Tests mit der GSLV Rakete vor der Wiederaufnahme ihrer Flüge nach einer Serie von Fehlstarts den zweiten Startkomplex in Sriharikota bereits seit Monaten blockierten, mußte man mit der PSLV auf den älteren der beiden Startkomplexe ausweichen. Das brachte jedoch eine längere Startvorbereitungsphase mit sich. Nun war die Rakete aber montiert, als im November 2012 eine weitere Verschiebung auf Ende Januar 2013 bekanntgegeben wurde. Jetzt waren technische Probleme mit der Hautnutzlast der Rakete, dem indisch-​französischen Satelliten SARAL Schuld. Bei thermischen Tests in der Vakuumkammer waren in letzter Minute Probleme registriert worden, die der Nachbesserung bedurften. SARAL (Satellite with Argos and Altika) basierte auf einem von der ISRO entwickelten Minisatellitenbus mit der Bezeichnung IMS 2 (Indian Mini Satellite). Die wissenschaftliche Instrumentierung stammte hingegen zu 100% aus Frankreich und umfaßte das Ka-​Band Altimeter Altika und das DORIS Instrument (Doppler Orbitography and Radiopositioning Integrated by Satellite) zur präzisen Bahnvermessung. Ziel des Unternehmens war die Fortsetzung der Altimeter-​Messungen von Envisat und der beiden Jason Satelliten.
Nach dem Aussetzen von SARAL wurde das obere Segment der Doppelstartvorrichtung DLA (Dual Launch Adapter) abgeworfen. Nun konnten die darin transportierten Keinsatelliten ausgestoßen werden. Den Anfang machte der kanadische Sapphire Satellit. Seine Entwicklung war vom kanadischen Department of National Defence (DND) vorangetrieben worden als Beitrag zum US Space Surveillance Network, dessen Daten die Grundlage für den Katalog künstlicher Weltraumobjekte bildeten. Die Bedeutung dieser Informationen stieg angesichts der Vielzahl an inaktiven Satelliten und „Weltraumschrott“ zunehmend. Von der Erweiterung des bisher bodengestützten Systems um eine weltraumbasierte Komponente versprach man sich eine deutliche Steigerung der Qualität der Daten. Den Auftrag zum Bau eines Demonstrator-​Satelliten hatte die MacDonald, Dettwiler and Associates Ltd. (MDA) erhalten, die wiederum einen SSTL-​150  Satellitenbus aus Großbritannien bezog. Hauptinstrument von Sapphire war ein Three Mirror Anastigmat (TMA) Teleskop, wie es bereits in den 1990er Jahren erfolgreich auf dem MSX (Midcourse Space Experiment) eingesetzt worden war. Von seiner sonnensynchronen Bahn konnte Sapphire damit Objekte im Höhenbereich zwischen 6.000 und 40.000 km beobachten.
Als nächster Satellit folgte NEOSSat, ein ebenfalls aus Kanada stammender astronomischer Mikrosatellit. Seine Entwicklung war sowohl von der zivilen Canadian Space Agency (CSA) als auch von der militärischen Defence Research Development Canada Organisation gefördert worden. Seine Doppelmission bestand in der Überwachung des erdnahen Weltraums (High Earth Orbit Space Surveillance) im Rahmen des Space Surveillance Network (SSN) sowie, unter dem Namen Near-​Earth Space Surveillance (NESS), der Suche nach Asteroiden im tieferen Raum, die eine Bedrohung für die Erde darstellen könnten. Mit dem Satelliten sollte aber vor allem auch die Eignung eines Kleinsatelliten für eine solche anspruchsvolle Mission demonstriert werden. Die Microsat Systems Canada Inc., Hersteller des Satelliten, erhoffte sich natürlich Folgeaufträge für ihren Multi-​Mission Microsatellite Bus. Allerdings wurde die MSCI auch für einen erheblichen Teil der Verzögerungen verantwortlich gemacht, die CSA sprach offen von einem Mangel an Kapazitäten beim Hersteller des Satelliten. Die Probleme mit NEOSSat vor und nach dem Start wurden aber auch auf eine signifikante Unterfinanzierung des Projekts von bis zu 50% zurückgeführt. Insbesondere die Software zur Feinausrichtung des Satelliten erwies sich als unausgereift. Somit taugten seine Aufnahmen selbst zwei Jahre nach dem Start auch nach einer aufwendigen Nachbearbeitung nur zu ingenieurtechnischen Zwecken. Nur wenige wissenschaftlich nutzbare Daten konnten gewonnen werden.
Nach einer erneuten Reorientierung der letzten Raketenstufe wurde der an dieser auf einer Plattform montierte dänische AAUSAT 3 augestoßen. Der dritte Cubesat der Universität Aalborg war der erste, der komplett dort entwickelt und gebaut worden war. Bei den beiden vorangegangenen Exemplaren hatte man noch auf ein sogenanntes Cubseat-​Kit zurückgegriffen. Selbst die beiden AIS (Automatic Identification System) Empfänger an Bord waren komplette Eigenentwicklungen. Die Erprobung dieses Systems zur automatischen Identifizierung und Lokalisierung von Schiffen stand demnach auch im Fokus der Mission. Nach geringfügigen Anfangsproblemen verlief das Unternehmen sehr erfolgreich. Am 17.09.2014 wurden die letzten Signale des Satelliten empfangen, nachdem Solarzellen und Batterien die Spannungsversorgung der Nutzlast nicht mehr gewährleisten konnten. Mit über 18 Monaten hatte der Satellit aber eine ausgezeichnete Lebensdauer für seine Klasse erreicht. Mit dieser Mission legte die AAU einen Grundstein für den späteren Aufbau einer kommerziellen Satellitenfertigung.
Die nächsten Nutzlasten, die ausgestoßen wurden, waren etwas größere Nanosatelliten und flogen wie auch AAUSAT 3 im Rahmen des NLS 8 Startkontrakts. BRITE (NLS 8.2) und UniBRITE (NLS 8.1) waren das Ergebnis eines österreichisch-​kanadischen Gemeinschaftsprojekts. BRITE (Bright-​star Target Explorer) wurde dabei von Studenten der TU Graz betreut, weswegen er auch die Namen TUGSat 1 bzw. BRITE-​Austria trug. Seine wissenschaftliche Mission bestand in der Beobachtung von Helligkeitsschwankungen massiver, sehr heller Sterne. Das gewählte Verfahren der differentiellen Photometrie ließ aus dem Erdorbit derartige Messungen mit bisher nicht erreichter Präzision zu. Eine entscheidende Voraussetzung für die Messungen war die exakte 3-​Achsen-​Stabilisierung des Satelliten. Dazu wurden miniaturisierte Kreisel (Schwungräder), Magnetorquer, Sonnensensoren und Magnetometer in den Satelliten von nur 20 cm Kantenlänge integriert. Korrespondierende Messungen sollte der UniBRITE Satellit unternehmen. Hier lag die Projektleitung bei der UTIAS (University of Toronto - Institute for Aerospace Studies), die auch den Generic Nanosatellite Bus für beide BRITE Satelliten lieferte. Beteiligt an der wissenschaftlichen Instrumentierung war aber auch die Universität Wien. Insgesamt sechs Satelliten waren für die BRITE Konstellation unter Beteiligung Kanadas, Österreichs und Polens vorgesehen, wobei die beiden ersten Satelliten offiziell den österreichischen Beitrag darstellten. Die beiden BRITE Satelliten lieferten, nach Überwindung anfänglicher Probleme mit der exakten Ausrichtung, ausgezeichnete wissenschaftliche Daten der Sternenfelder Orion und Centaurus. Allerdings erwies sich die Strahlungsfestigkeit einiger Satellitensysteme als zu gering. Die daraus resultierenden Bildstörungen konnten aber dank verbesserter Algorithmen herausgerechnet werden. Und die Stabilitätsprobleme eines von drei Prozessoren an Bord von TUGSat 1 ließen sich kompensieren, indem dessen Aufgaben an den besser geschützten Housekeeping–Computer übergeben wurden.
Als letzter der sieben Satelliten wurde der britische STRaND 1 ausgestoßen. Bei ihm handelte es sich um einen drei Höheneinheiten CubeSat, der gemeinsam von Wissenschaftlern und Ingenieuren des Surrey Space Centre (SSC) und der ebenfalls dort ansässigen Surrey Satellite Technology Ltd. (SSTL) realisiert worden war. Die Ingenieure konnten die Kapazitäten von SSTL nutzen und trieben das Projekt in ihrer Freizeit voran. Die Idee war vor allem, ein Android basierendes Smartphone (ein Google Nexus One) neben anderen COTS Komponenten unter kosmischen Bedingungen zu erproben. Der vergleichsweise leistungsfähige Prozessor, die Kommunikationsschnittstellen und eine leistungsfähige Kamera machten das Experiment auch langfristig für die SSTL interessant. In der ersten Phase nach dem Start übernahm aber ein zweiter Computer an Bord die Kontrolle des Satelliten. Er war ebenso wie acht PPTs (Pulsed Plasma Thrusters) sowie der sogenannte WARP DRiVE (Water-​Alcohol Resistojet Propulsion Deorbit Re-​entry Velocity Experiment) Teil der weiteren technologischen Experimente an Bord von STRaND 1. Tatsächlich kam es aber nicht dazu, die verschiedenen Systeme des innovativen Satelliten zu testen. Kurze Zeit nach dem Start brach nämlich jeder Kontakt zu STRaND 1 ab.