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Start der Ariane-5ECA zur Mission VA241
Montag von Al Yah 3 auf dem Nutzlastadapter der Ariane
SES 14 während der Startvorbereitung

Der erfolgsverwöhnte Startdienstleister Arianespace entging am 25.01.2018 nur äußerst knapp einem Fehlschlag. Die für die Mission VA241 vorbereitete Ariane-5ECA sollte zwei Kommunikationssatelliten in den Orbit transportieren. Erstmalig handelte es sich bei der Zielbahn aber um einen supersynchronen Transferorbit. Die relativ unflexible Oberstufe der Ariane-​5  empfahl sich nicht gerade für derartige Missionen. Obwohl beispielsweise Atlas-​Centaur und Atlas V schon seit Jahrzehnten solche Bahnen anflogen, betrat die (west-)europäische Raumfahrt erst jetzt diesen Weg. Möglicherweise auch nach wachsendem Druck der Kunden, die diesen (für ihre Satelliten) treibstoffsparenden Orbit zunehmend schätzen gelernt hatten, weil nun auch SpaceX solche Bahnen nutzte, wenn es sich anbot. Angesichts einer kombinierten Nutzlast von nur 9.123 kg bei dieser Mission war es naheliegend, den Leistungsüberschuß der Ariane Rakete sinnvoll zu nutzen. Bei den beiden für diese Mission ausgewählten Satelliten handelte es sich um SES 14 und Al Yah 3. SES 14 war als Ablösung für den bereits zwanzig(!) Jahre alten NSS 806 (ex Intelsat 806) über 47,5° West vorgesehen. Hersteller Lockheed Martin hatte seinerzeit eine Lebensdauererwartung von vierzehn bis maximal siebzehn Jahren für die Intelsat VIIIA Generation genannt. Eine Ablösung war also dringend geboten. Neben einer kombinierten Nutzlast aus C– und Ku-​Band Transpondern (einschließlich HTS — High Throughput Satellites Ku-​Band Spot Beams) hatte SES 14 noch eine sogenannte „gehostete“ Nutzlast an Bord. Auf dem Eurostar-​3000EOR Bus von Airbus Defence and Space hatte auch ein wissenschaftliches Experiment der NASA Platz gefunden. Das GOLD (Global-​scale Observations of the Limb and Disk) Experiment sollte das „Wetter“ in der Thermosphäre/Ionosphäre beobachten und damit eine Lücke in der Erforschung solarer Einflüsse (z.B. geomagnetischer Stürme) auf die irdische Atmosphäre schließen. Das dafür zum Einsatz kommende Instrument war ein hochauflösender Spektrograph für das Ferne Ultraviolett.
Al Yah 3 war dagegen der dritte Satellit der Al Yah Satellite Communications Company aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (die beiden ersten Satelliten trugen den Namen YahSat). Zugleich war es die Premiere für den neuen GEOStar-​3  Satellitenbus von Orbital ATK. Der Satellitenhersteller stieß mit diesem Modell in Leistungsklassen vor, die bisher anderen Anbietern vorbehalten gewesen waren. Mit knapp 3,8 Tonnen und 58 Ka-​Band Transpondern bot Al Yah 3 eine beachtliche Kapazität. Vorgesehen war er für eine Stationierung über dem Atlantik bei 20° West, von wo aus er sowohl Südamerika (speziell Brasilien) als auch Afrika versorgen konnte.
Der live aus Kourou übertragene Start schien zunächst gewohnt unspektakulär zu verlaufen. Erst gegen Ende der Übertragung kam im Kontrollzentrum erkennbare Unruhe auf. Zunächst hieß es, daß die Bestätigung für das erfolgreiche Aussetzen von Al Yah 3 aus der SYLDA Doppelstartvorrichtung nicht empfangen worden war. Allmählich wurde das ganze Ausmaß der Probleme deutlich. Diese lagen nicht, wie es zunächst den Anschein hatte, bei der Bodenstation jenseits des Atlantik. Vielmehr war der Telemetrieempfang schon wenige Sekunden nach der Zündung der Oberstufe abgebrochen. Die ESC-​A war ohne Korrekturdaten „auf Autopilot“ geflogen. Auch die weiteren Manöver in Verbindung mit der SYLDA waren programmgesteuert erfolgt. Tatsächlich konnte die erreichte Bahn hinsichtlich Perigäum und Apogäum noch leidlich zufriedenstellen (etwa 230×43.200 km statt 250×45.000 km). Doch die Bahnneigung von knapp 21° lag weit über den angestrebten 3°. Wie sich zeigte, waren die vermeintlichen Livebilder und –animationen des Starts (wie üblich) überwiegend Aufzeichnungen früherer Missionen gewesen bzw. visualisierten als Plot die Zielbahn. Nur bei genauer Betrachtung und mit Kenntnis der Details waren rückwirkend erste Auffälligkeiten erkennbar. Und diese zeigten auch, daß die Aufstiegsbahn schon Sekunden nach dem Abheben fehlerhaft gewesen war. Damit führte diese extrem knapp an der Grenze des zulässigen Flugkorridors vor der Küste Französisch Guyanas und weiter Brasiliens entlang. Eine Sprengung der Rakete hätte allerdings speziell die Bevölkerung rund um Kourou einem hohen Risiko ausgesetzt. Die ihrem, wenn auch falschen, Kurs stetig folgende Rakete war vermutlich das geringere Risiko als ein unkalkulierbarer Trümmerregen. Wie Arianespace einen knappen Monat nach dem Start bestätigte, war es tatsächlich bei der Startvorbereitung zu einem Fehler gekommen. Offenbar waren in die Steuerung des Trägheitslenksystems falsche Werte eingegeben worden. Gerade für den angestrebten supersynchronen Orbit hätten diese von den sonst üblichen deutlich abweichen müssen. Inwieweit das Ausbleiben des Kommandos zur Selbstzerstörung der Rakete auf eine bewußte Entscheidung des Sicherheitsoffiziers zurückzuführen war, blieb vorläufig offen. Jedenfalls rettete es die Mission und zum Glück kam auch niemand zu Schaden.
Für die beiden Satelliteneigner hatte der Beinahe-​Fehlstart unterschiedliche Konsequenzen. Die SES konnte recht bald vermelden, daß man keine nennenswerten Folgen erwartete. SES 14 war nämlich mit Plasmatriebwerken des Typs SPT-​140D aus dem russischen OKB „Fakel“ ausgerüstet. Sie erlaubten es, unter moderatem Treibstoffverbrauch und voraussichtlich nur vier Wochen später als ursprünglich geplant, den geostationären Zielorbit zu erreichen. Die Regelbetriebsdauer von 15 Jahren sah man ebenfalls als nicht gefährdet an. Tatsächlich erreichte der Satellit im Juli 2018 die Testposition über 39° West und wurde am 01.08.2018 über der angemeldeten Arbeitsposition 47,5° West stationär. Al Yah 3 dagegen verfügte lediglich über ein konventionelles Apogäumstriebwerk. Hier sah die Bilanz wesentlich schlechter aus. Yahsat stand vor der Entscheidung, die notwendigen Manöver entweder zeitnah aber mit hohem Treibstoffverbrauch oder in einigen Monaten unter energetisch günstigeren Bedingungen zu fliegen. Schließlich entschied man sich für die erste Variante. Die genauen Konsequenzen hinsichtlich der Lebensdauererwartung verlauteten nicht. Um den 01.05.2018 hatte Al Yah 3 jedenfalls seine Zielposition erreicht und konnte den Sendebetrieb aufnehmen. Sein Betreiber machte nach unbestätigten Angaben aber einen Verlust von 108 Mio. $ gegenüber der Versicherung geltend.