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Start der ersten PSLV-QL

Im März 2019 liefen auf dem indischen Raumfahrtgelände SHAR die Vorbereitungen zum Jungfernflug einer neuen Variante der PSLV Rakete. Das als PSLV-​QL bezeichnete Modell lag leistungsmäßig zwischen der schon länger im Einsatz stehenden PSLV-​XL (mit sechs PSOM-​XL Boostern) und der erst jüngst eingeführten PSLV-​DL mit zwei PSOM-​XL. Das Vertrauen der internationalen Kunden in die Reife des PSLV Designs unterstrich der Fakt, daß bei diesem Start der größte Teil der Nutzlastkapazität problemlos kommerziell vermarktet werden konnte. Hauptnutzlast der PSLV-​C45  war offiziell der indische EMISAT, eine geheimnisvolle Nutzlast, deren detaillierte Zweckbestimmung nicht bekanntgegeben wurde. Der Satellit basierte jedenfalls auf der Indian Mini Satellite (IMS 2) Plattform und sollte „Messungen des elektromagnetischen Spektrums“ vornehmen. Das wurde vielfach als Umschreibung für eine ELINT (Electronic Intelligence) Mission verstanden. Höchstwahrscheinlich handelte es sich bei EMISAT um die Plattform für die ELINT Nutzlast „Kautilya“, deren Entwicklung in einem Bericht des indischen Verteidigungsministerium für die Jahre 2013/14 bestätigt worden war. Die weiteren 28 Nutzlasten stammten von den US Unternehmen Planet Labs (20× Flock 4a) und Spire (4× Lemur 2), aus der Schweiz (Astrocast 0.2), Litauen (BlueWalker 1 und M6P) sowie Spanien (AISTECHSAT 3). Die zwanzig Flock 4a Erderkundungssatelliten basierten wie ihre Vorgänger auf dem 3U CubeSat Design, hatten allerdings einige Verbesserungen erfahren. Details dazu verlauteten zunächst nicht. Lemur 2 „JohanLoran“, Lemur 2 „Beaudacious“, Lemur 2 „Elham“ und Lemur 2 „Victor-​Andrew“ verfügten über die erst jüngst eingeführte AirSafe ASD-​B Nutzlast neben dem üblichen STRATOS GPS Radio-​Okkultations Paket und der SENSE AIS Nutzlast. Die schweizer Astrocast SA plante den Aufbau einer Satellitenkonstellation für die machine-​to-​machine (M2 M) Kommunikation im L-​Band. Mit zunächst zwei Satelliten sollte das Konzept verifiziert werden. Die beiden 6U CubeSats des litauischen Raumfahrt start-​ups NanoAvionics dienten primär der Erprobung der eigenentwickelten M6P Plattform. Für den M6P Prototypen konnten zwei Kunden gewonnen werden, die die Mitfluggelegenheit nutzten. SpaceWorks Orbital war an der Erprobung von Systemen für die IoT (Internet of Things) Kommunikation interessiert. Und auch Lacuna Space wollte den Satelliten als Relay für terrestrische LoRaWAN Signale nutzen. BlueWalker 1 sollte dagegen der Erprobung von Technologien dienen, die sich AST & Science, zugleich ein Investor von NanoAvionics, hatte patentieren lassen. AISTECHSAT 3 oder Danu Pathfinder stammte vom spanischen Unternehmen Aistech, das ab Ende 2019 den Aufbau einer größeren Konstellation von Satelliten mit eigenentwickelten ADS-​B Empfängern plante.
Nach dem Start der Rakete am 01.04.2019 von Sriharikota wurde zunächst in rund 750 km Höhe EMISAT ausgesetzt. Zwei weitere Zündungen der PS4 Viertstufe der PSLV senkten die Bahn dann auf etwa 500 km ab, wo die sekundären Nutzlasten in Gruppen ausgesetzt werden sollten. Danach manövrierte die Stufe unter Einsatz ihrer kleinen RCS Triebwerke weiter. Sie fungierte anschließend als „Orbital Plattform“. Ausgerüstet mit Solarzellen für einen längeren autonomen Betrieb waren drei Nutzlasten auf der PS4 installiert: ein AIS Signalempfänger, ein Automatic Packet Repeating System (APRS) für den Amateurfunkbetrieb und das wissenschaftliche Experiment ARIS (Advanced Retarding Potential Analyzer for Ionospheric Studies). Nachdem die Mission zunächst als uneingeschränkter Erfolg bewertet worden war, meldete der Kunde NanoAvionics zunächst Schwierigkeiten, Kontakt zu seinen beiden Satelliten aufzunehmen. Wie sich zeigte, kreisten diese auf einem niedrigeren als vorgesehenen Orbit. Die ab dem 02. (M6P) bzw. 03.04.2019 (BlueWalker 1) empfangenen Telemetriedaten bestätigten aber abgesehen davon die einwandfreie Funktion der Satelliten. Offenbar war es aus zunächst unbekannten Gründen lediglich zu einem „Hänger“ gekommen, der ihren Ausstoß aus den von der deutschen Astrofein GmbH gelieferten CubeSat Startern verzögert hatte.