…heute neben K. E. Ziolkowski der bekannteste Wegbereiter der russischen Raumfahrt, agierte zu Lebzeiten als der geheimnisvolle „Chefkonstrukteur“ im Hintergrund der sowjetischen Raketenentwicklung. Dabei war er bereits in den 1930er Jahren einer der führenden Köpfe einer eigenständigen sowjetischen Raketenentwicklung gewesen. Geboren am 12.01.1907 in Schitomir in der Ukraine wuchs er nach der Trennung seiner Eltern 1916 mit Mutter und Stiefvater in der weltoffenen ukrainischen Metropole Odessa auf. Seine Mutter förderte nach Kräften den hochbegabten Jungen. Der interessierte sich brennend für die Fliegerei, die in den 1920er Jahren in der Sowjetunion als Propagandainstrument sehr gefördert wurde. Fasziniert war er auch von den Werken Ziolkowskis zur Theorie der Raumfahrt. 1926 ging S. P. Koroljow nach Moskau und begann in der noch jungen Luftfahrtindustrie zu arbeiten. Gleichzeitig besuchte er als Werkstudent die Moskauer Technische Hochschule und fand daneben noch Zeit, sich in einer Fliegerschule anzumelden! 1929 graduierte er an seiner Hochschule. Drei Jahre später stand er der Moskauer Sektion der GIRD (Abk. russ. svw. Gruppe zum Studium der Rückstoßbewegung) vor. Die MosGIRD arbeitete an der Entwicklung des ersten sowjetischen Flüssigraketentriebwerks. Die Zusammenarbeit mit M. K. Tichonrawow und F. A. Zander, dessen eigenständige Arbeitsgruppe mit der MosGIRD vereinigt worden war, führte bald zu beachtlichen Erfolgen. Das lag nicht zuletzt an der finanziellen Förderung durch die Rote Armee, der die GIRD im August 1932 unterstellt worden war. Am 17.08.1933 gelang schließlich der Start der ersten sowjetischen Flüssigkeitsrakete, der GIRD-09 . Sieben Jahre nach R. H. Goddard in den USA, aber als einer der ersten in Europa. Weitere Projekte wurden in rascher Folge verwirklicht. Im September 1933 wurde die GIRD mit dem von V. P. Gluschko geleiteten Gasdynamischen Laboratorium zum Wissenschaftlichen Institut zur Erforschung des Rückstoßes (RNII) vereinigt. Einer der stellvertretenden Institutsleiter wurde S. P. Koroljow. 1934 erschien auch Koroljows umfassendes Grundsatzwerk „Der Raketenflug in die Stratosphäre“. Unter seinem militärischen Förderer, Marschall M. N. Tuchatschewski, wurde S. P. Koroljow 1934 als Leiter des Entwicklungsprogramms für Flügelraketen eingesetzt. Den Posten als stellvertretender Institutsleiter hatte er hingegen verloren, nachdem er gegen Institutsleiter I. T. Kleimenow Stellung bezogen hatte. Zahlreiche experimentelle Flugkörper entstanden in den folgenden Jahren und wurden im Flug erprobt. Allerdings taugten sie noch nicht als Waffen. Und dann wurde der inzwischen zum stellvertretenden Volkskommissar (Minister) für Verteidigung aufgestiegene populäre Marschall M. N. Tuchatschewski am 22.05.1937 verhaftet und am 12.06.1937 hingerichtet. Das war der Beginn einer beispiellosen Verhaftungswelle in der Sowjetunion, der u.a. nahezu das gesamt Offizierskorps der Roten Armee zum Opfer fiel. I. T. Kleimenow und Koroljows Nachfolger, G. E. Langemak, wurden hingerichtet. Auch die Gruppe von S. P. Koroljow blieb nicht verschont. 1938 wurde S. P. Koroljow mit dem engsten Kreis seiner Mitarbeiter in die berüchtigten Minen von Kolyma in Sibirien verbannt. Das kam eigentlich einem Todesurteil gleich. Doch überraschend wurde S. P. Koroljow im März 1940 ins nicht minder berüchtigte Moskauer Butirskaja-Gefängnis verlegt. Im Juli 1940 wurde S. P. Koroljow unter dem Vorwurf der Sabotage zu weiteren acht Jahren Arbeitslager verurteilt! Doch diesmal ging es nicht zurück nach Sibirien. S. P. Koroljow wurde in einem Scharaga interniert, einem unter Bewachung der Geheimpolizei stehenden militärisch abgesicherten wissenschaftlich-technischen Planungsinstitut. Hier sollten sowjetische Intellektuelle unter Einsatz ihrer besonderen Fähigkeiten ihre Schuld „sühnen“. Leiter des Instituts war der Flugzeugkonstrukteur A. N. Tupolew, der, selbst Gefangener, S. P. Koroljow angefordert hatte und ihm damit möglicherweise das Leben rettete. Zu den Internierten des Lagers zählte auch W. Gluschko, von dem S. P. Koroljow annahm, daß dessen Denunziation Auslöser seiner Verhaftung war (Jahrzehnte später freigegebene Unterlagen deuten eher darauf hin, daß der „Vater“ der legendären Katjuscha Raketen, A. Kostikow, der Denunziant gewesen war) 1941 wurde W. Gluschko offiziell zum Leiter eines selbständigen Versuchs-Konstruktionsbüros am GDL ernannt. S. P. Koroljow wurde 1942 sein Stellvertreter im OKB-GDL. Das änderte aber nichts an der Rivalität, ja zeitweise offenen Feindschaft der beiden begnadeten Konstrukteure. Am 27.07.1944 erfolgte endlich unter Auflagen die Haftentlassung Koroljows. Zu seinen neuen Aufgaben zählte die Analyse deutscher Beutetechnik aus dem Flugzeug– und Raketensektor. Und so reiste er im September 1945 gemeinsam mit W. P. Mischin nach Deutschland, um die Reste der V-Waffen-Produktion zu inspizieren und zu sichern. Im August 1946 wurde S. P. Koroljow die Verantwortung für das Ressort übertragen, das die Analyse der deutschen Lenkwaffen übernehmen und ihre Produktion in der Sowjetunion organisieren sollte. Es folgte ein rascher Aufstieg, der einherging mit der wachsenden Bedeutung der Raketentechnik im Kalten Krieg. 1946 wurde S. P. Koroljow zum Chefkonstrukteur des OKB-1 ernannt. Zunächst wurde das deutsche Aggregat-4 nachgebaut und nachgeflogen. Erste Weiterentwicklungen noch unter Verwendung deutscher Entwürfe folgten in rascher Folge. 1953 war ein wichtiger Meilenstein erreicht, als die erste strategische Mittelstreckenrakete R-5 startete. Damit stand der Sowjetunion nun auch ein geeigneter Kernwaffenträger zur Verfügung. Trotz des Drucks des Militärs, alle Kraft für die Schaffung immer neuer Waffensysteme einzusetzen, schaffte es S. P. Koroljow, einige seiner Raketen auch zu Forschungszwecken umzurüsten. Bald flogen Ratten, Kaninchen und Hunde in die Stratosphäre. S. P. Koroljow näherte sich der Realisierung seines Traumes aus Jugendtagen, dem Start eines Menschen in den Weltraum. Zuvor mußte er aber noch sein Meisterstück liefern. Im Gegensatz zu den USA verfügte die Sowjetunion in den 1940er und 1950er Jahren über keine Flugzeuge mit interkontinentaler Reichweite. Ein Atomschlag gegen die USA war damit praktisch unmöglich. S. P. Koroljow erhielt den Auftrag, eine Interkontinentalrakete als Atomwaffenträger zu schaffen. Dafür mußte ein vollkommen neuer Leistungsbereich für Raketentriebwerke erschlossen werden. Mit Wirkung vom 09.07.1954 wurde S. P. Koroljow zum stellvertretenden Direktor des Forschungsinstituts berufen, an dem er zu jener Zeit tätig war. Im unterstanden fortan die Bereiche Forschung und Versuchskonstruktion. Umgehend nahm S. P. Koroljow die Projektierung der ersten interkontinentalen ballistischen Mehrstufenrakete auf, die später unter dem Namen R-7 „Semjorka“ berühmt werden sollte. Bei der Auslegung der Stufenanordnung griff er auf Studien von K. E. Ziolkowski und M. K. Tichonrawow zurück. Bei der Wahl des Triebwerkslieferanten kam er um das OKB-GDL seines Rivalen W. Gluschko nicht vorbei. Dem gelingt es nicht, das Problem der Verbrennungsinstabilitäten großer Triebwerke zu lösen. Schließlich wird ein Kompromiß gewählt. Neuentwickelte Triebwerke mittlerer Größe vom Typ RD-107 und RD-108 trieben in Gruppen zusammengefaßt die Rakete an. Sensoren überwachten ihre Funktion und schalteten im Falle von Oszillationen das betroffene Triebwerk einfach ab. Ausreichende Leistungsreserven des Gesamtsystems sollten verhindern, daß der Ausfall einzelner Triebwerke die gesamte Mission gefährdete. Das Konzept ging auf. Im Sommer 1957 flog die R-7 erstmals über die volle Distanz. Und im Oktober des Jahres transportierte sie den ersten Satelliten auf eine Umlaufbahn. Es folgte eine scheinbar endlose Reihe weiterer Erstleistungen. Das erste Lebewesen im All, die ersten Fotos von der Mondrückseite und dann der erste Mensch im All! Das Konzept der R-7 hatte sich als so genial erwiesen, daß die Rakete mit verschiedenen Oberstufen versehen als Träger für unterschiedlichste Missionen taugte. Nur als Atomwaffenträger war sie nicht mehr als ein Bluff. Denn ihre Auslegung erzwang eine oberirdische Stationierung und die Treibstoffe waren nicht lagerfähig. Für einen überraschenden Erstschlag oder erstrecht einen Gegenschlag taugten sie nicht. Diesem Ziel kam man mit der R-9 (SS-8) wesentlich näher. Unterdessen bewährte sich das genial einfache Konzept der Wostok Raumkapsel aus Koroljows Konstruktionsbüro bei einer Reihe bemannter Raumflüge ebenso wie als Basis für die ersten sowjetischen Aufklärungssatelliten. Für die nächste große Herausforderung, den Flug von Menschen zum Mond, mußten aber eine vollkommen neue Großrakete und ein steuerbares modulares raumschiff entwickelt werden. Beide Projekte gingen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit der sowjetischen Volkswirtschaft. Entsprechend schleppend verlief die Entwicklung des komplexen Sojus Raumschiffs. Und bei der Entwicklung des Antriebs für die N-1 Mondrakete brach die alte Rivalität zwischen S. P. Koroljow und W. Gluschko wieder auf, als dieser sich weigerte, ein neuartiges kryogenes Triebwerk zu entwickeln. S. P. Koroljow setzte aber große Hoffnungen gerade in den Einsatz solcher Triebwerke und verweigerte die Verwendung der von W. Gluschko favorisierten hochgiftigen, wenn auch lagerfähigen Treibstoffe. Doch auch das OKB-2 von A. M. Isajew und das OKB-165 von A. M. Ljulka konnten in der geforderten kurzen Zeitspanne die Technik nicht meistern. Blieb nur die Rückkehr zu Kerosin und Flüssigsauerstoff. Die Suche nach einem Triebwerkslieferanten gestaltete sich schwierig. Kapazitäten frei hatte nur das OKB-276 von N. D. Kusnetzow, Gluschkos OKB-GDL schied nach den letzten Auseinandersetzungen zwischen den Chefkonstrukteuren aus. Schließlich erklärte sich der Flugzeugtriebwerkshersteller N. D. Kusnetzow bereit, mit Unterstützung von Koroljows OKB-1 eine Serie neuer Triebwerke zu entwickeln. Zu Koroljows Lebzeiten erlangten diese aber nicht mehr die Serienreife. Am 05.01.1966 wurde der erschöpfte S. P. Koroljow ins Krankenhaus eingeliefert. Endlich sollten seine schmerzenden Hämorrhoiden entfernt werden. Doch bei der Operation entdeckten die Ärzte einen großen Tumor im Dickdarm. Der Chefkonstrukteur hatte Krebs! Und nun forderten die Strapazen der letzten Jahre ihren Tribut. S. P. Koroljow erholte sich von seiner Operation nicht mehr. Neun Tage später, am 14.01.1966, starb er in Moskau. (Laut anderen Quellen wußte S. P. Koroljow bereits seit Ende 1965 von seinem Krebs. Bei der Operation zur Entfernung des Tumors kam es danach zu Komplikationen, inneren Blutungen und schließlich einem Herzstillstand.) Der Chefkonstrukteur erhielt ein Staatsbegräbnis und wurde an der Kremelmauer beigesetzt. Staatschef L. I. Breschnew verbeugte sich vor dem Mann, dessen Namen die Öffentlichkeit erst jetzt erfuhr: Sergej Pawlowitsch Koroljow. Jahre zuvor hatte das königliche schwedische Komitee der Akademie der Wissenschaften angefragt, wer der Verantwortliche für das Sputnik Projekt war, um ihm den Nobelpreis zu verleihen. Da man Angst vor dem Überlaufen oder einer Entführung Koroljows hatte, kam aus Moskau nur die Antwort, daß das russische Volk diese Leistung erbracht habe. Den Nobelpreis erhielt S. P. Koroljow derart nie. Doch postum wurden ihm die wichtigsten sowjetischen Staatspreise verliehen. Eine späte Anerkennung seines Wirkens.
Auch wenn die Sowjetunion Anfang 1966 den „Wettlauf zum Mond“ nahezu schon verloren hatte, bedeutete der Tod von S. P. Koroljow den wohl entscheidenden Rückschlag. Zwar war Koroljows N-1 Mondrakete zu einem wahren Monster mit einer Unzahl von Triebwerken geraten. Doch dem organisatorischen Genie S. P. Koroljow wäre es zuzutrauen gewesen, auch dieses Projekt zur Einsatzreife zu führen. Umso härter traf die unvorbereitete Elite der sowjetischen Raumfahrtingenieure sein Tod. Ähnlich W. von Braun war nämlich S. P. Koroljow weniger ein begnadeter Konstrukteur als vielmehr ein Visionär und herausragender Organisator gewesen. Ihm war es immer wieder gelungen, die zahlreichen Institute und Konstruktionsbüros unter seiner Leitung zusammenzuführen, Militärs und Politiker für seine Ideen zu begeistern. Diese Lücke konnte niemand füllen und die sowjetische Raumfahrt verlor zunehmend ihre Führungsrolle. Erst die Realisierung der noch von ihm projektierten Raumstationen mit seinem Sojus Raumschiff als Zubringer sorgte wieder für eine Perspektive.
Auch wenn die Sowjetunion Anfang 1966 den „Wettlauf zum Mond“ nahezu schon verloren hatte, bedeutete der Tod von S. P. Koroljow den wohl entscheidenden Rückschlag. Zwar war Koroljows N-1 Mondrakete zu einem wahren Monster mit einer Unzahl von Triebwerken geraten. Doch dem organisatorischen Genie S. P. Koroljow wäre es zuzutrauen gewesen, auch dieses Projekt zur Einsatzreife zu führen. Umso härter traf die unvorbereitete Elite der sowjetischen Raumfahrtingenieure sein Tod. Ähnlich W. von Braun war nämlich S. P. Koroljow weniger ein begnadeter Konstrukteur als vielmehr ein Visionär und herausragender Organisator gewesen. Ihm war es immer wieder gelungen, die zahlreichen Institute und Konstruktionsbüros unter seiner Leitung zusammenzuführen, Militärs und Politiker für seine Ideen zu begeistern. Diese Lücke konnte niemand füllen und die sowjetische Raumfahrt verlor zunehmend ihre Führungsrolle. Erst die Realisierung der noch von ihm projektierten Raumstationen mit seinem Sojus Raumschiff als Zubringer sorgte wieder für eine Perspektive.