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Valentin Petrowitsch Gluschko

Techniker

Valentin Petrowitsch Gluschko
…bestimmte als wichtigster Designer der sowjetischen Raketentriebwerke maßgeblich die Entwicklung der Raumfahrt und Raketentechnik von den 1930er bis in die 1970er Jahre mit. Er wurde am 02.09.(21.08.)1908 in Odessa geboren und wurde schon als junger Mann Schüler des Vaters der sowjetischen Raumfahrt, Konstantin E. Ziolkowski. 1921 begann er sich näher für Fragen der Raumfahrt zu interessieren und 1923 begann er, mit K. E. Ziolkowski zu korrespondieren. Aus diesem Gedankenaustausch gingen erste wissenschaftliche Veröffentlichungen Gluschkos hervor, die ab 1924 veröffentlicht wurden. Ein Jahr später begann er sein Studium an der Leningrader Universität, das er 1929 beendete. Als Mitbegründer der Leningrader Sektion des GIRD und des seit 1925 in Leningrad ansässigen Gasdynamischen Laboratoriums verschrieb er sich schon bald der Triebwerksentwicklung und war maßgeblich an der Auslegung des Antriebs für einige wegweisende Raketenprojekte der LenGIRD beteiligt. Im Gegensatz zu den Raketen der MosGIRD erlebten diese Projekte jedoch keine praktische Umsetzung. Nach dem Zusammenschluß der verschiedenen GIRD Abteilungen mit dem GDL im Wissenschaftlichen Institut zur Erforschung des Rückstoßes (RNII) in Moskau übernahm Gluschko eine Abteilung zur Entwicklung von Triebwerken auf Kerosin-​Salpetersäurebasis. Erfolgreich setzte er die bereits im GDL begonnenen Arbeiten fort und bald entstand eine ganze Reihe experimenteller Triebwerke: ORM-​53  bis ORM-​71  auf Salpetersäurebasis sowie ORM-​101  und ORM-​102  auf Basis von Tetranitromethan. Dabei ragte das ORM-​65  besonders heraus, da es sich durch eine hohe Standfestigkeit und die Möglichkeit der Wiederzündung auszeichnete. Auch gelang Gluschkos Arbeitsgruppe die Entwicklung des ersten sowjetischen Gasgenerators als Antrieb einer Treibstoff-​Turbopumpe. Doch dann wurde der Förderer der Raketenforschung Marschall Michail N. Tuchatschewski am 22.05.1937 verhaftet und am 12.06.1937 hingerichtet. Auch die führenden Köpfe des RNII wurden Opfer von inszenierten Prozessen. Einige wurden hingerichtet, andere zu langen Haftstrafen im GULAG verurteilt. Gluschko wurde in der Nacht des 23.03.1938 verhaftet. Während Sergej P. Koroljow jedoch seine 10-​jährige Verbannung in den Goldminen von Kolyma antrat, gelang es Gluschko, der zu 8 Jahren Arbeitslager verurteilt worden war, schon bald, seine bedingte Freilassung zu erreichen. Unterdessen war die Raketenforschung weitgehend eingestellt worden. Lediglich die Entwicklung von flüssigkeitsgetriebenen Raketentriebwerken auf Salpetersäurebasis als Antrieb für neuartige Flugzeuge und die Entwicklung von Feststoffantrieben für Raketengeschossen hatten Bestand. Gluschko als führender Triebwerksexperte entging derart wohl der Verbannung. Inwieweit die Denunziation seiner ehemaligen Kollegen zu seiner Freilassung beitrug, ist bis heute unklar. Zeitlebens hegte Koroljow jedenfalls diesen Verdacht. Gluschko arbeitete unter Aufsicht des Geheimdienstes NKWD zunächst in einem Herstellerwerk für Flugzeugtriebwerke in Tuschino, dann, ab 1941, in Kasan an der Schaffung von Starthilfsraketen für konventionelle Flugzeuge. Auch Koroljow war inzwischen aus der Verbannung in ein militärisch abgesichertes wissenschaftlich-​technisches Planungsinstitut entlassen worden, wo er unter dem bekannten Flugzeugkonstrukteur Andrej N. Tupolew arbeitet. Als das Konstruktionsbüro vor der nahenden Front 1942 nach Omsk evakuiert wurde, unterstellte man Koroljow als stellvertretenden Direktor für die Flugerprobung Gluschko. Unter Gluschkos Leitung entstanden in Kasan die Hilfstriebwerke RD-​1 , RD-​1KhZ, RD-​2  und RD-​3 . Diese wurden erfolgreich an Flugzeugen Pe-​2P, La-​7P, La-​120P, Jak-​3 , Su-​6  und Su-​7  erprobt. 1944 wurden beide Männer vorübergehend Wladimir N. Tschelomej unterstellt, der zu jener Zeit an der Rekonstruktion der deutschen V-​1  Flügelbombe arbeitete. Bereits am 16.07.1944 wurde Gluschko aufgrund seiner Verdienste um die Stärkung der sowjetischen Militärmacht begnadigt und am 02.08.1944 nach Deutschland entsandt, um erbeutete deutsche Technik zu inspizieren. 1946 übertrug man ihm die Leitung des neu eingerichteten OKB-​456  in Chimki bei Moskau. Bis dahin waren dort im Flugzeugwerk Nr. 84 Transportflugzeuge vom Typ Li-​2  gebaut worden. Jetzt baute man dort die im thüringischen Lehesten bei Kriegsende vorgefundenen und später demontierten A-​4  Triebwerksteststände wieder auf. Gluschko begann mit der Erprobung des A-​4  Antriebs und unternahm erste Schritte zu seiner Weiterentwicklung. Bald schon lief die Fertigung der sowjetischen Variante, des RD-​100 . In rascher Folge wurde das Triebwerk weiterentwickelt. Es entstanden das RD-​101  und das RD-​103  für die erste sowjetische strategische Rakete, die R-​5 . 1952 begann das OKB-​456  mit der Entwicklung zweier neuartiger Triebwerke auf Basis von Kerosin und Flüssigsauerstoff. Gluschko, der dem Einsatz dieser Treibstoffkombination immer ablehnend gegenübergestanden hatte, mußte sich dem Druck der anderen Chefkonstrukteure unter Führung von Koroljow beugen. Wie von ihm befürchtet, gab es große Probleme mit Brenninstabilitäten bei der Entwicklung der RD-​105  und RD-​106  Antriebe. Erst die Reduktion der Brennkammergröße und das Clustern der RD-​107  bzw. RD-​108  Triebwerke bot einen praktikablen Ausweg. Der Antrieb für die heute noch eingesetzten Raketen der R-​7  Familie war geboren. 1956 wurde Gluschko im Zuge der Entstalinisierung vollständig rehabilitiert. Für seine Verdienste um das sowjetische Raumfahrtprogramm aber auch für die Entwicklung strategischer Raketen wurde er mehrfach mit den höchsten Auszeichnungen der Sowjetunion geehrt. So erhielt er 1957 den Lenin Preis und ein Jahr darauf wurde er in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen. In den 50er und 60er Jahren profilierte sich das OKB-​456  als das führende Konstruktionsbüro für die Entwicklung neuer Raketentriebwerke, insbesondere für zahlreiche atomwaffenfähige Raketen. Aber auch die Antriebe für die UR-​500  (Proton) Rakete stammten von ihm. Lediglich die Zusammenarbeit mit dem OKB-​1  von Koroljow gestaltete sich zunehmend schwierig und gipfelte schließlich in einem offenen Zerwürfnis der beiden Chefkonstrukteure, als sie keine Einigung über den Antrieb für Koroljows N-​1  Rakete erzielen konnten. 1971 wurde Gluschkos Name erstmals offen als einer der geheimnisvollen Chefkonstrukteure benannt. Sein Konstruktionsbüro trug inzwischen den Namen KB EnergoMasch. 1974 entschied Gluschko unerwartet den Machtkampf der Chefkonstrukteure für sich. Das Politbüro entschied, Wassili P. Mischin von seiner Funktion als Chefkonstrukteur des ZKBEM zu entbinden. Koroljows und Gluschkos Organisationen wurden per Dekret vereinigt zum neuen Raumfahrtkomplexes NPO Energija. Gluschko als neuer Generalkonstrukteur zeichnete letztlich verantwortlich für die Krönung des sowjetischen Raumstationsprogramms, die modulare Station Mir. Die schwere Trägerrakete Energija bedeutete für ihn die Krönung seines jahrzehntelangen Kampfes um die Entwicklung eines solchen Systems, von dessen Notwendigkeit er überzeugt war. Valentin P. Gluschko starb am 10.01.1989 in Moskau.