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Titow in der Wostok Kapsel
eine der Filmaufnahmen von German Titow
Telefonat mit Staats- und Parteichef Nikita S. Chruschtschow
German Titow auf dem Rückflug nach Moskau

Noch vor dem ersten Orbitalflug eines US-​Amerikaners wiederholte die Sowjetunion erfolgreich diese Meisterleistung mit dem Flug von German Titow, der beim ersten bemannten Wostok Flug als Backup bereitgestanden hatte. Im Vorfeld des Unternehmens hatte es kontroverse Diskussionen gegeben, wie lange dieser zweite Flug dauern sollte. Die Mediziner, unter ihnen der führende sowjetische Experte Wladimir I. Jasdowski, hatten nach wie vor große Bedenken hinsichtlich eines längeren Aufenthalts in der Schwerelosigkeit und wollten maximal drei Erdumläufen zustimmen. Doch die Ingenieure, allen voran Sergej P. Koroljow, hatten ein großes Interesse, mit einem wenigstens eintägigen Flug die Leistungsfähigkeit der Wostok zu demonstrieren. Sie brachten für ihre Sichtweise zudem schlagende Argumente vor. Nicht nur, daß sie die Kosmonauten für eine solche Mission als gut trainiert ansahen. Bahnmechanisch wäre eine Landung nach drei Erdumläufen nur im dicht besiedelten europäischen Teil Rußlands möglich gewesen. Zudem befürchteten sie Probleme mit der automatischen Orientierung des Raumschiffs für den Wiedereintritt. Und natürlich galt es, eine möglichst eindrucksvolle Mission mit dem aktuell einzig verfügbaren Wostok Raumschiff zu unternehmen und so den Vorsprung gegenüber den USA zu halten, bis die nächsten Exemplare startklar waren. Der Start von Wostok 2 erfolgte am 06.08.1961 um 06:00 UTC mit einer Wostok 8K72 K Rakete vom Kosmodrom Baikonur. Aufgrund der Erfahrungen mit der Wostok beim Flug von Juri Gagarin waren einige Verbesserungen eingeführt worden. Sie betrafen u.a. das Telemetriesystem und die TV-​Kamera. Grundlegend neue Erkenntnisse erbrachte Titows Flug nicht, sieht man von der Flugdauer ab, die damals allein schon eine Sensation bedeutete. Somit konnte erstmals der Schlaf eines Menschen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit beobachtet werden. Weniger erfreulich waren die ausgeprägten Symptome der Raumkrankheit, unter denen Titow anfangs zu leiden hatte. Er verlor vollkommen das Raumgefühl, erbrach sich und fragte während des zweiten Orbits sogar die Erlaubnis für eine vorgezogene Landung an. Bis zum zwölften Orbit kämpfte Titow gegen die Übelkeit an, dann besserte sich unerwartet rasch sein Zustand. Allerdings sank nun wegen eines Fehlers bei den Startvorbereitungen (Primär– und Reserve-​Klimasystem waren beide aktiviert worden) die Kabineninnentemperatur auf 6 °C. Trotz dieser Beeinträchtigungen durfte Titow zweimal die manuelle Kontrolle über die Wostok übernehmen. Und er widmete sich der Erdbeobachtung unter Zuhilfenahme eines Fernglases und einer „Konwas“ 35 mm Filmkamera. Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre wiederholten sich die Probleme früherer unbemannter Korabl-​Sputnik Flüge mit der Abtrennung des Servicemoduls. Dennoch gelang nach 25:18 h am 07.08.1961 eine sichere Landung, erstaunlicherweise nur etwa 85 km südöstlich von Gagarins Landeplatz. Titow war bereits nach 25:11 h sicher an seinem Fallschirm niedergegangen, wenige Meter neben einer Bahnlinie, auf der soeben ein Zug die Szene passierte. Im Gegensatz zu Gagarins Flug wurde diesmal in den offiziellen Verlautbarungen auf die separate Landung des Kosmonauten hingewiesen.
Titow hält bis heute einen erstaunlichen Rekord. Mit nicht einmal 26 Jahren ist er noch immer der jüngste Raumfahrer aller Zeiten! Angeblich litt Titow jedoch zeitlebens daraunter, nur „Kosmonaut № 2“ geworden zu sein. Obwohl auch er im In– und Ausland begeistert gefeiert wurde, fiel er wohl daher zunehmend durch seine Undiszipliniertheit auf und verbaute sich die Chance auf einen weiteren Raumflug. Andererseits erwies er sich insbesondere im westlichen Ausland als eloquenter und gefragter Interviewpartner, der sein Land u.a. 1962 auf einer USA Reise bei Treffen mit Präsident John F. Kennedy, Wernher von Braun und John Glenn würdig vertrat. Bereits 1970, mit 34 Jahren, verließ er das Kosmonautenkorps und nahm ein (militärisches) Studium auf. Als er 1991 aus dem aktiven Militärdienst ausschied, hatte das einstige Enfant terrible unter den Kosmonauten den Rang eines Generaloberst erreicht.