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die Falcon-9 mit CRS-3 am 13.04.2014 auf der Startrampe
CRS-3 Dragon vor dem Berthing

Zu den Opfern anhaltender Verschiebungen des Flugplans der ISS Versorgungsmissionen zählte auch das aufstrebende US Unternehmen SpaceX. Doch die für November 2013 vorgesehene CRS-​3  Mission verzögerte sich auch aus anderen Gründen. Denn erstmals wollte SpaceX zum Start eines „Dragon“ Versorgers die leistungsstärkere Falcon 9 v1.1 einsetzen. Die bis dahin genutzte Falcon 9 Block 1 konnte nicht die vertraglich zugesagte Fracht befördern und war daher nach nur fünf Einsätzen (davon drei mit Dragon Raumschiffen) eingestellt worden. Der erste Falcon 9 v1.1 Start konnte nach monatelanger Verschiebung erst im September 2013 erfolgen — und war nur zum Teil erfolgreich. Danach bekamen zwei kommerzielle Missionen mit Kommunikationssatelliten Vorrang. Inzwischen war auch noch die Orb 1 Mission des Konkurrenten Orbital Sciences in den Flugplan eingeschoben worden. Zudem hatten technische Probleme auf der ISS erzwungen, eines der möglichen Startfenster ungenutzt verstreichen zu lassen. Schließlich konnte aber der 16.03.2014 als nächster realisierbarer Termin angesetzt werden. Überraschend gab SpaceX im Februar dann bekannt, daß man bei diesem Flug erstmals nicht nur den kontrollierten Rückflug der Erststufe zur Erde testen, sondern auch die ausklappbaren Landebeine erproben wollte. Allerdings über dem offenen Meer vor der Küste Floridas. Eine Woche vor dem geplanten Starttermin fand der übliche Hotfire-​Test auf SLC-​40  in Cape Canaveral statt. Überraschend erschien am 13.03.2014 eine Pressemitteilung, laut der der Start auf frühestens den 30.03.2014 verschoben worden sei. Der Grund wurde erst später bekannt. Erstmals sollte bei diesem Flug auch Fracht im nicht druckbeaufschlagten „Trunk“ des Transportraumschiffs untergebracht werden. Und hier war bei der dort angebrachten Auskleidung aus einem hitzebeständigen Stoff („Beta Cloth“) die Möglichkeit einer minimalen Kontamination mit Nähmaschinenöl am Nähfaden erkannt worden. Nachdem das Problem gründlich studiert worden war, stellte sich heraus, daß es eigentlich keines war. Ein neuer Startversuch sollte nun tatsächlich am 30.03.2014 unternommen werden, als das Feuer in einem Bahnverfolgungsradar in Cape Canaveral alle Starts von dort vorläufig unmöglich machte. Die zunächst befürchtete Reparaturdauer von bis zu anderthalb Monaten bestätigte sich zum Glück nicht. Der neue Starttermin war nun der 14.04.2014. Dann versagte am 11.04.2014 ein Backup Computer, ein so genannter Multiplexer-​Demultiplexer (MDM), auf der ISS. Wieder schien der Start gefährdet. Doch diesmal entschied sich die NASA für den Start. Aber ein Problem mit einem Heliumrückschlagventil im Stufentrennungssystem der Falcon Rakete führte an diesem Tag zum Abbruch des Countdowns. Erst am 18.04.2014 ließ das Wetter einen neuen Startversuch zu. Und dieser war dann tatsächlich erfolgreich. Gerade noch rechtzeitig hatte sich das Wetter an diesem Tag, wie vorhergesagt, verbessert. Während der „Dragon“ Kurs auf die ISS nahm, wurden aus dem Stufenadapter der Zweitstufe fünf CubeSats ausgesetzt. Dabei handelte es sich um ALL-​STAR/THEIA, SporeSat, TSAT, PhoneSat 2.5 und KickSat. ALL-​STAR/THEIA (Agile Low-​cost Laboratory for Space Technology Acceleration and Research / Telescopic High-​definition Earth Imaging Apparatus) hatte dabei eine Doppelfunktion. Einerseits sollte der 3U CubeSat Studenten des Colorado Space Grant Consortium (COSGC) als Ausbildungsobjekt dienen. Ziel war es, die Leistungsgrenzen eines 3U CubeSats signifikant zu erweitern. Unterstützung holten sich die Studenten dabei vom Raumfahrtkonzern Lockheed Martin. Der modifizierte Satellitenbus, bei dem vor allem eine innovative Solarzellenanlage herausstach, bildete die Basis für das THEIA Experiment. Studenten der University of Colorado und des COSGC hatten diese vergleichsweise leistungsfähige Erderkundungsnutzlast konzipiert. Sie basierte auf einer achromatischen Doppellinse von 50,8 mm Durchmesser und 150 mm Brennweite in Verbindung mit einem hochauflösenden CMOS Sensor. SporeSat stammte hingegen vom NASA Ames Research Center und setzte die biologischen Experimente fort, die mit PharmaSat und O/OREOS unternommen worden waren. Die wissenschaftliche Nutzlast des Satelliten hatten Wissenschaftler der Purdue University entworfen. Erforscht werden sollten Mikrogravitationseinflüsse auf das (Wurzel-)Wachstum von Ceratopteris richardii, einer Hornfarn-​Art, die seit längerem als Modellorganismus in der Biologie etabliert ist. Einige Sporen wurden dazu in zwei Zentrifugen untergebracht, andere nicht. Der Vorschlag für die TSAT (TestSat-​Lite) Mission stammte hingegen von der Taylor University in Upland, Indiana. Der für das ELaNa (Educational Launch of Nanosatellites) Programm der NASA eingereichte (und im Februar 2012 bestätigte) Entwurf sah vor, auf einer extrem niedrigen Bahn ionosphärische Studien zu betreiben. Größere Satelliten hatten hier bisher kaum in-​situ Messungen unternommen, da die Lebensdauer eines Satelliten hier sehr begrenzt ist. Bei TSAT ging man das Risiko bewußt ein. Ausgestattet wurde der 2U CubeSat hierzu mit einer Plasmasonde, einem 3-​Achsen Magnetometer und drei UV-​Fotodioden. Mit finanzieller Unterstützung der USAF war für den Satelliten zudem ein neuartiges Auslegersystem auf Kohlefaserbasis entworfen worden. Mit PhoneSat 2.5 setzte das NASA Ames Research Center seine Experimente mit CubeSats fort, bei denen ein Smartphone auf Android Basis die Rolle des Bordcomputers übernahm. Diesmal sollte zusätzlich eine neue miniaturisierte Hochgewinn S-​Band Antenne erprobt werden. Und ein Attitude Determination and Control System (ADCS), bei dem die Sensoren des Smartphones genutzt wurden, um Steuerkommandos an einen Satz von Drallrädern zu geben, die den Satelliten in die gewünschte räumliche Lage rotieren konnten. Eine bisher einmalige Mission sollte dagegen KickSat absolvieren. Zac Manchester von der Cornell University hatte die Idee gehabt, einen 3U CubeSat zur Trägerplattform für über 100 „ChipSats“ (Femtosatelliten) umzurüsten. Diese nicht einmal scheckkartengroßen Satelliten bestanden aus einer Platine von 35×35×2,5 mm, auf der die Energieversorgung, Kommunikation und Sensorik in Micro-​Electro-​Mechanical Systems (MEMS) Technik untergebracht waren. Sie sollten aus dem LEO in der Lage sein, ihre Telemetriedaten direkt an Bodenstationen zu übertragen. Die Finanzierung der Sprites wurde im Rahmen einer sogenannten Kickstarter Kampagne realisiert. 315 Spender brachten 74.586 $ zusammen, weitaus mehr als die erhofften 30.000 $. KickSat hatte schließlich 104 Sprites an Bord (128 wären möglich gewesen). Sie sollten nach einem de-​tumble und spin-​up Manöver 16 Tage nach dem Start ausgesetzt werden. Doch leider sollte es dazu nicht kommen. Zunächst verhinderten Probleme mit dem Energieversorgungssystem die Übermittlung des Aussetzkommandos. Und dann setzte auch noch der Treffer eines geladenen Teilchens den als Fallback vorgesehenen Timer („Watchdog“) so unglücklich zurück, daß der automatisch initiierte Aussetzzeitpunkt nach dem berechneten Wiedereintrittstermin lag. Tatsächlich verglühte Kicksat am 14.05.2014 mitsamt der Fracht von 104 Sprites. Damit war die Mission, der in den internationalen Medien große Aufmerksamkeit gewidmet worden war, deren praktischer Nutzen aber bis zuletzt sehr umstritten blieb, sehr unglücklich gescheitert.
Weitaus erfolgreicher verlief die Dragon Mission. Am 20.04.2014 hatte der Frachter Halteposition vor dem „Harmony“ Modul der ISS bezogen. Um 11:14 UTC hatte ihn der Manipulatorarm der Station ergriffen und um 14:06 UTC war die Verankerung am erdzugewandten Port von „Harmony“ vollzogen. Knapp einen Monat sollte die Dragon hier verbleiben. In dieser Zeit erfolgte nicht nur das Entladen der Versorgungsgüter und Wiederbeladen mit Proben, ausgedienten Systemen u.a.m. Aus dem sogenannten „Trunk“ wurden die außenbords mitgeführten größeren Experimente HDEV (High Definition Earth Viewing) Kameras, OPALS (Optical Payload for Lasercomm Science) und CEPA (Columbus External Platform Adapter) entladen, wobei es im Fall von OPALS zunächst Schwierigkeiten mit dem Greifmechanismus gab. Letztlich erreichte aber die gesamte Fracht ihre Bestimmungsort auf der ISS.
Immerhin zu einem beachtlichen Teil erfolgreich war auch der Versuch verlaufen, die Erststufe der Falcon 9 v1.1 gezielt landen zu lassen. Die Stabilisierung war offenbar problemlos gelungen und auch die Landebeine konnten ausgeklappt werden. Eine weiche Landung war über dem offenen Meer natürlich nicht möglich. Leider war auch das Meer unruhiger, als den SpaceX Ingenieuren lieb sein konnte. Jedenfalls kippte die Rakete unmittelbar um, sobald sie die Meereoberfläche erreichte und das Triebwerk abschaltete. Bevor die Bergungsschiffe den Ort erreichten, war die Stufe im über fünf Meter hohen Wellengang zerbrochen und gesunken. Damit gingen natürlich viele relevante Daten verloren. Immerhin war umfangreiche Telemetrie und auch ein, leider verstümmeltes, Video empfangen worden. Und diese Informationen schienen die grundsätzliche Funktion des Designs zu bestätigen.