Die Trägerrakete R-7 Sputnik (Erzeugnis 8K71PS) für die ersten sowjetischen Erdsatelliten war eine nur unwesentlich modifizierte Interkontinentalrakete (ICBM) R-7 (Erzeugnis 8K71). Die militärische Variante erhielt den NATO-Code SS-6 „Sapwood“, während der Satellitenträger in den USA als SL-1 bzw. einfach Typ A geführt wurde. Entwickelt worden war diese erste ICBM in den Jahren 1954 – 1957 als Träger für sowjetische Atomsprengköpfe und insbesondere für thermonukleare Sprengsätze (Wasserstoffbomben), über die die Sowjetunion seit dem 12.08.1953 ebenfalls verfügte. Das Konstruktionsbüro von Sergej P. Koroljow griff bei seinem Vorschlag für eine ballistische Rakete interkontinentaler Reichweite auf ein Konzept von Michail K. Tichonrawow und vergleichbare Studien internierter deutscher Experten zurück, das sogenannte Paketschema. Dabei werden die Triebwerksblöcke der ersten Stufe außen um den Zweitstufenblock herum gruppiert. Da beim Start die Triebwerke beider Stufen arbeiten, spricht man auch von einem eineinhalbstufigen System. Nach Brennschluß der Erststufentriebwerke werden die Blöcke abgetrennt. Dank des größeren Treibstoffvorrats arbeitet der Zentralblock auch danach und beschleunigt die Nutzlast weiter. Das gewählte Verfahren umging elegant das Problem der Zündung von Raketentriebwerken bei hohen Geschwindigkeiten bzw. im Vakuum. Seit 1952 entwickelte das OKB-456 zwei konstruktiv ähnliche Einkammer-Triebwerke unter den Bezeichnungen RD-105 und RD-106 . Bei Prüfstandversuchen zeigten sich jedoch kaum überwindbare Probleme bezüglich der Stabilität der Verbrennung. Und 1953/54 wurde zudem klar, daß der projektierte Schub von 55 t nicht ausreichen würde, die schweren Atomsprengköpfe über interkontinentale Distanzen zu transportieren. Die Entwicklung der Triebwerke wurde eingestellt und das Konzept der Bündelung mehrerer Brennkammern in einem Triebwerksblock mit zentraler Treibstoffversorgung favorisiert. Zwar stellten auch die hier eingesetzten Brennkammern technologisches Neuland dar, doch konnte man immerhin auf die Erfahrungen mit dem Triebwerk des deutschen Aggregat-4 und eigenentwickelten Triebwerken für Mittelstreckenraketen zurückgreifen. Während noch die Entwicklungsarbeiten an der R-7 , dem Erzeugnis 8K71, liefen, begann auch der Bau von Prüfständen, Bahnverfolgungsstationen und eines neuen Testgeländes. Die bisherigen Einrichtungen genügten den Anforderungen für die Tests einer ICBM nicht mehr. Der Bau des Raketentestgeländes Baikonur begann im Mai/Juni 1955. Im Januar 1956 fanden erste statische Tests der Vierkammer-Triebwerke statt und im Februar 1956 flog eine Versuchsrakete, mit der Systeme der R-7 erprobt wurden. Schließlich traf im März 1957 die erste R-7 in Baikonur ein. Am 10.05.1957 wurde sie zur Rampe transportiert und am 15.05.1957 fand der langersehnte Start statt. Doch nach wenigen Sekunden Flug gab es strukturelle Probleme und die Rakete brach auseinander. Dennoch erfolgten die nächsten Teststarts im Monatsabstand (09.06.1957 und 12.07.1957). Auch sie waren totale Versager. Unbeirrt ließ Koroljow das Testprogramm weiterlaufen und konnte am 21.08.1957 auch endlich den ersten erfolgreichen Flug über die Distanz von 6.400 km verbuchen. Der Durchbruch war erreicht. Am 26.08.1957 meldete die Nachrichtenagentur TASS, daß es der Sowjetunion nunmehr möglich sei, „Raketen an jeden Ort der Welt zu senden“. Dabei wurde allerdings verschwiegen, daß die Rakete gerade erst in der Erprobung stand und sich die Sprengkopfattrappe beim Wiedereintritt nach dem letzten Test unerwartet zerlegt hatte. Für den Start eines Satelliten waren einige Änderungen an der Rakete erforderlich. Das 300 kg schwere Funksteuerungssystem, das normalerweise die exakte Brennschlußgeschwindigkeit steuerte, wurde entfernt, da im Gegensatz zu einem Atomsprengkopf der Satellit nicht eine besonders exakte Aufstiegsbahn verfolgen mußte. Anstelle des Radiosystems wurde der Nutzlastadapter installiert. Die Brennschlußsequenz wurde drastisch vereinfacht. Der Brennschluß trat nun ein, sobald der Treibstoff aufgebraucht war! Die Turbopumpen wurden von 80 %igem auf 82 %iges H2 O2 umgestellt. Und schließlich wurde die Rakete nicht voll betankt. Dank dieser Maßnahmen zur Massereduzierung konnte die 8K71PS nun einen Satelliten auf eine Umlaufbahn befördern, obwohl ihre Triebwerke noch immer nicht die projektierten Werte erreichten. Am 07.09.1957 fand ein weiterer erfolgreicher ballistischer Flug statt. Dieser diente vermutlich der Erprobung der Modifikationen des Erzeugnisses 8K71PS und es kann noch immer nicht ganz ausgeschlossen werden, daß es sich in Wirklichkeit um den mißlungenen ersten Startversuch eines Satelliten handelte. Der nächste Start am 04.10.1957 beförderte jedenfalls mit Sputnik 1 den ersten Satelliten auf eine Erdumlaufbahn. Danach kam das Erzeugnis 8K71PS nur noch einmal zum Einsatz, nämlich zum Start von Sputnik 2. Damit hatte die Rakete jene Aufgabe erfüllt, die ihr Koroljow bereits am 26.05.1954 in einem Memorandum an den Ministerrat der UdSSR zugedacht hatte. Ihre Rolle als Atomwaffenträger füllte sie dagegen nur bedingt aus. Aufgrund der Abmessungen und konstruktiven Auslegung war sie nicht für den Silostart geeignet. Die Treibstoffkomponenten ließen keine Stationierung im betankten Zustand zu. Auch lag die Reichweite mit dem schweren Gefechtskopf unter den geforderten 8.000 km. So wurden nur vier R-7 auf dem Startgelände Plesetsk wirklich gegen die USA in Stellung gebracht. Als Raumfahrtträger begann die R-7 aber eine Karriere, von der auch Koroljow sicher nicht zu träumen gewagt hätte. Über Jahrzehnte mit immer neuen Oberstufen und leistungsfähigeren Triebwerksvarianten ausgerüstet, bildet sie auch heute noch das Rückrat der russischen Raumfahrt.
Gesamtsystem | |
Nation | Sowjetunion |
Bezeichnung(en) | Sputnik R-7, Erzeugnis 8K71PS, „Semjorka“ |
Entwicklungszeitraum | 1955 – 1957 |
erster Start | 04.10.1957 |
Einsatzzeitraum | 1957 |
Stufenzahl | 2 |
Gesamthöhe | 29,17 m |
Spannweite über Stabilisierungsflächen | 10,30 m |
max. Nutzmasse | ca. 1.400 kg (LEO) |
Leermasse | ca. 22.100 kg |
Treibstoffmasse | ca. 245.200 kg |
Startmasse | ca. 267.300 kg |
Startschub | 3.904 kN |
1. Stufe (Außenblöcke) | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Erzeugnis 8D74PS Block B, W, G, D |
Länge | ca. 19,8 m |
max. Durchmesser | 2,68 m |
max. Spannweite über Stabilisierungsfläche | 3,82 m |
Leermasse | 4×um 3.750 kg |
Treibstoffmasse | 4×um 38.750 kg |
Gesamtmasse | 4×um 42.500 kg |
Antrieb | je 1 Vierkammer-Flüssigkeitstriebwerk RD-107 + 2 Vernier-Triebwerke |
Treibstoff | Kerosin T-1 + Flüssigsauerstoff |
Startschub | 4×795 kN |
spezifischer Impuls (Seehöhe) | 250 s |
Maximal-Brenndauer | 146 s |
2. Stufe (Zentralblock) | |
Hersteller | |
Bezeichnung(en) | Erzeugnis 8D75PS Block A |
Länge | ca. 26,0 m |
max. Durchmesser | 2,95 m |
Leermasse | um 6.000 kg |
Treibstoffmasse | um 90.000 kg |
Gesamtmasse | um 96.000 kg |
Antrieb | 1 Vierkammer-Flüssigkeitstriebwerk RD-108 + 4 Vernier-Triebwerke |
Treibstoff | Kerosin T-1 + Flüssigsauerstoff |
Vakuumschub | 912 kN |
spezifischer Impuls (Vakuum) | 308 s |
Brenndauer | 320 s |
Nutzlastverkleidung | |
Länge | 3,17 m |
max. Durchmesser | 2,95 m |